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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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paar Stunden aus München entfernt zu wissen?!
    »Ich bin kein Raufbold!« sagte er laut, »ich bin wahrhaftig kein Schläger... Aber wenn Sie mich belogen haben, Herr Severin, dann bekommen Sie eine Abreibung, an die Sie denken werden!«
    Mechanisch kuppelnd, schaltend, stoppend, beschleunigend, die Lichthupe betätigend und auf den Weg achtend, hatte er Schwabing verlassen, war die Barerstraße entlanggefahren und kurvte am Karolinenplatz um den Obelisk, in dessen Nähe sein Hotel lag. Er fand auf dem für die Hotelgäste reservierten Gelände einen freien Platz und ließ sich vom Chefportier das Bundestelefonbuch geben. Die Uhr ging auf elf. Es war zu spät, um Anitas Vater heute noch anzurufen. Er war unter mehreren Nummern zu erreichen. Privat in einer Villa in Bockenheim — wahrscheinlich noch immer das gleiche Haus, in dem Anita ihre Kindheit verlebt hatte — und geschäftlich unter fünf fortlaufenden Ziffern in Höchst... PHARMAG — EYSSINGWERKE (und Labors zur Erzeugung von Arzneimitteln)... Aber vielleicht gab es in Höchst so etwas wie einen Nachtdienst für Telegramme und eilige Durchsagen?
    Werner schrieb eine der Höchster Nummern auf einen Zettel und reichte ihn einem der jungen Leute in der Rezeption: »Machen Sie es dringend. Sie finden mich in der Bar...«
    »Es lohnt nicht, daß Sie hinübergehen, Herr Gisevius — das Gespräch ist in zwei oder drei Minuten da.«
    »Schön, dann warte ich hier.« — Er zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf die Lehne eines Ledersessels, der in dem kleinen Raum neben den Telefonkabinen hauptsächlich der Ablage von Mänteln und Aktentaschen diente. In einer der Kabinen führte ein kleiner, zappliger Filmmann ein endloses und sehr lebhaftes Gespräch mit Berlin. Er hörte Wortfetzen des Gesprächs, das um die Gagenforderung irgendeines Stars ging, und es vergingen nicht einmal drei Minuten, daß er in der Nebenkabine den Hörer abnehmen konnte.
    » Eyssingwerke und Labors, Telefonzentrale — Sie wünschen, bitte?«
    »Ich spreche aus München und habe nur eine kurze Frage an Sie. Ich fahre morgen nach Frankfurt und möchte Herrn Dr. Eyssing in einer dringenden Geschäftsangelegenheit sprechen. Mein Wohnsitz ist Caracas — Venezuela. Wissen Sie zufällig, ob Dr. Eyssing zur Zeit in Frankfurt ist?«
    Er war auf die Antwort nicht einmal gespannt. Er war sicher, daß sie nur aus einem klaren Nein bestehen konnte.
    »Aber gewiß, ich habe vor fünf Minuten einen Anruf in die Privatwohnung von Herrn Dr. Eyssing umgeleitet. Wünschen Sie Herrn Dr. Eyssing sofort zu sprechen, falls es sehr wichtig ist?«
    »Nein... danke...«, sagte er etwas betäubt, »es genügt mir, zu wissen, daß er in Frankfurt ist...«
    »Ihr Name, bitte...?«
    Er antwortete nicht, sondern hängte den Hörer langsam in die Metallzwinge und verließ die überwarme Telefonkabine. Er hatte feuchte Handflächen und spürte in dem frischen Luftzug der Schwingtür, daß ihm auch auf Stirn und Nase und sogar im Rücken der Schweiß ausgebrochen war.
    Eins zu null für Severin... dachte er und blies sich in die Hände.
    »Das Gespräch auf Rechnung, Herr Gisevius?«
    Er reichte dem Chefportier ein Trinkgeld und nickte ihm zu: »Auf Rechnung, ja...«
    Ihm war elend. Ihm war zumute, als hätte er einen Gummiknüppel über den Schädel bekommen, und einen Schlag in den Magen und einen Tritt in die Kniekehle dazu. Nichts war jetzt wichtiger als ein Schnaps, ein doppelstöckiger Wodka, und noch einer, und die Flasche daneben, damit es nicht so lange dauerte, bis der dritte eingeschenkt wurde. Er ging in die Halle hinüber, aber alle Tische waren besetzt, und an der kleinen Bar, von der hauptsächlich die Hallengäste mit Getränken versorgt wurden, standen ein paar wohlgenährte Herren vom Lebensmittelgroßhandel, die in München tagten und im Hotel wohnten.
    Die nette Barfrau, mit der er sich schon ein paarmal unterhalten hatte, nickte ihm einladend zu, aber er tat, als suche er jemand, winkte ihr einen Gruß zurück und ging wieder ins Foyer. Schade, daß er sie nicht allein angetroffen hatte, sie war ein nettes Mädchen, kühl und vernünftig und mit einem guten Instinkt dafür begabt, ob der Gast Unterhaltung brauchte oder ob er allein gelassen zu werden wünschte. Er brauchte kein Gespräch. Er hatte mit sich selber fertig zu werden. Aber er hatte ein Bedürfnis nach Gesellschaft, nach einem Zuhörer, nach einem Menschen, dem man sagen konnte, man fände das Leben plötzlich ziemlich

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