Eine Frau geht ihren Weg
rätselhafte Bemerkung von vorhin erklären?” fragte Sybil.
Daniels Lächeln verschwand. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte sie durchdringend an. „Als ich heute früh mit Southey telefoniert habe, sind wir übereingekommen, das Projekt mit Pagel Associates wiederaufzunehmen.”
Mit lautem Klappern fiel Sybils Gabel auf den Teller. „Ihr seid übereingekommen? Wie nett von euch!” Sie sprang auf und lief ins Obergeschoß. „Wir können in einer halben Stunde fahren”, sagte sie mit leiser, beherrschter Stimme von der Treppe aus.
Sybil kochte vor Wut. Weil sie die üblichen Machtkämpfe unter Geschäftsleuten verabscheute, hatte sie es sich zum Prinzip gemacht, keinen Vertrag mit Firmen abzuschließen, die versuchten, sie in diese üblen Praktiken hineinzuziehen. Und jetzt war sie ausgerechnet Daniel in die Falle gegangen. Aber er würde sich noch wundern! Sie hatte nicht vor, sein Spiel mitzuspielen.
Ohne es zu merken, hatte Sybil das Treppengeländer so hart umfasst, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.
„Sybil! Hör mir doch eine Minute zu.” Besänftigend legte Daniel der ihr gefolgt war, seine Hand auf die ihre. „Wir müssen nicht zurückfahren. Ich habe gesehen, dass du alle Berichte mitgenommen hast. Warum arbeitest du nicht hier?”
Sybil drehte sich um und schaute ihm ins Gesicht. Sekundenland war sie versucht, über seine gerunzelte Stirn zu streichen, damit er sie wieder anlächelte. Doch dann besann sie sich darauf, wie wütend sie auf ihn war, und blickte ihn feindselig an. „Hör endlich auf, Machtkämpfe mit mir auszutragen! Wir fahren jetzt sofort zurück nach San Diego, damit ich das Projekt in meinem Büro bearbeiten kann.”
„Warum kannst du die Problemanalyse nicht hier erstellen? Oder brauchst du für eine so simple Sache etwa deine Mitarbeiter?”
Ihr lag bereits eine scharfe Bemerkung auf der Zunge, als ihr klar wurde, dass er recht hatte. Es bestand kein Grund zur Abreise. Sie hatte nur instinktiv die erste Chance wahrgenommen, ihm zu entkommen. Und eigentlich konnte sie ihm keinen Vorwurf machen. Er tat nur das, was alle Männer taten: Er nutzte die Situation zu seinen Gunsten. Es lag einzig an ihr, ihre Beziehung auf einer geschäftlichen Ebene zu belassen. Aber besaß sie dazu die Kraft?
„Okay, du hast gewonnen”, sagte Sybil seufzend und entzog ihm ihre Hand.
Er küsste sie sanft aufs Haar. „Ich werde noch einige Besorgungen machen”, meinte Daniel.
Bevor Sybil noch etwas erwidern konnte, war die Tür schon hinter ihm ins Schloss gefallen.
Sybil ging zur Fensterbank, wo Daniel den Stapel mit ihren Arbeitsunterlagen abgeladen hatte.
Sie las die erste Seite, plötzlich merkte sie, wie ihr Verstand wieder klar und präzise arbeitete, und nach kurzer Zeit war sie ganz in ihre Arbeit vertieft.
Eine Stunde später hörte Sybil Daniels Porsche vorfahren. Sie stand auf und streckte sich. Im gleichen Moment wurde die Tür heftig aufgestoßen.
„Schnell, fang die Tüte auf!” rief Daniel Sybil zu, während er mit drei randvoll gepackten Einkaufstüten auf der Türschwelle stand.
Sybil lief auf ihn zu und griff nach der Tüte, die ihm gerade vom Arm zu rutschen drohte, während Daniel in die Küche ging und die beiden restlichen Tüten auf dem Küchenschrank abstellte. Dann kam er ins Wohnzimmer zurück, bedeutete ihr, wieder an die Arbeit zu gehen, und ging hinaus zu seinem Wagen, um weitere Pakete ins Haus zu schleppen.
Erschrocken fuhr Sybil zusammen, als sie plötzlich seine Hände auf ihren Schultern spürte.
„Du bist ja ein ganzes Stück vorwärtsgekommen”, sagte Daniel mit weicher Stimme, die ihr wie eine Liebkosung vorkam. „Und ich hatte schon befürchtet, du würdest das Zeug vielleicht in den Seite 26 von 73
Kamin werfen. Wie wär’s, wenn du in einer Stunde eine Pause machst, damit wir zu Mittag essen können?”
Sybil nickte zustimmend.
„Gut”, meinte er und ließ sie los.
Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er mit einigen großen Plastiktüten nach oben ging und im Badezimmer verschwand. Sybil konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit, bis eine Weile später plötzlich Wasser auf ihre Papiere tropfte.
„Daniel!” rief sie erschrocken und drehte sich um, was, wie sie leider zu spät erkannte, ein Fehler gewesen war. Er stand dicht hinter ihr und frottierte sich die nassen Haare. Außer einem um die Hüften geschlungenen Handtuch trug er nichts. Sie musste schlucken, bevor sie einen zweiten Anlauf
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