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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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immer schön weitab vom Schuß. Jetzt gibt es keine Heimatlazarette mehr in unserem Land. Überall ist Front.
    Allerdings versucht dies Lazarett, eine Art Insel im Getöse zu bleiben. Das Dach ist mit Riesenkreuzen bemalt, und auf dem Rasen vorm Haus sind in Kreuzform weiße Tücher gebreitet. Aber die Luftminen sind unparteiisch, und im Bombenteppich gibt es keine Barmherzigkeitslöcher. Das wissen auch die im Lazarett. Sonst hätten sie ihre Keller nicht so vollgepackt. Aus den Fenstern zu ebener Erde blickten zwischen den Gitterstäben überall Männergesichter durch...
    Wieder im Hauskeller, um 21 Uhr. Fiebrig erregtes Kellervolk heute, aufgekratzt, nervös. Die Hamburgerin erzählt mit spitzen S-Lauten, daß sie heute morgen eine telefonische Verbindung bekommen hat, und zwar mit Freunden in der Müllerstraße, Nordberlin. »Wir sind schon Russen«, hat die Freundin in den Apparat gerufen. »Soeben rollen unten die Panzer ein. Die Iwans lachen. Das Volk drängt sich am Straßenrand, es lacht und winkt, man hält die Kinder hoch...« Der Rote Wedding, alte Kommunistengegend. Es könnte schon stimmen. Sogleich geht ein heftiger Disput über diese Neuigkeit los. Am Ende, so meinen einige, hat uns die Propaganda bloß dumm gemacht? Am Ende sind »die« gar nicht so... Aber da redet das Flüchtlingsmädel aus Ostpreußen dazwischen, das sonst nie etwas sagt, schreit abgerissene Sätze in seinem Dialekt, findet die rechten Worte nicht, fuchtelt mit den Armen, kreischt: »Sie wer'n schon erleben...«, und schweigt wieder. Worauf auch der Keller wieder schweigt.
    Die Likörfabrikantin reitet übrigens auf einer neuen Parole herum: Ribbentrop und v. Papen seien soeben nach Washington geflogen, um sich mit den Amerikanern persönlich auszusprechen. Sie bekommt gar keine Antwort.
    Der Keller ist düster. Die Petroleumlampe blakt. Die Phosphorringe, die in Augenhöhe um die Balken herum gemalt sind, damit man im Dunkeln nicht dagegenrennt, geben einen grünen Schein. Wir haben Zuwachs gekriegt. Das Buchhändlerpaar hat seinen Kanarienvogel mit heruntergebracht. Mit einem Handtuch zugedeckt hängt der Käfig drüben am Balken. Beschuß draußen, drinnen Stille. Alles döst oder schläft.
    Mittwoch, 25. April 1945, nachmittags
    Ich rekapituliere: Gegen l Uhr nachts stieg ich aus dem Keller in den ersten Stock, haute mich wieder auf der Couch bei der Witwe hin. Plötzlich heftiger Bombenfall, die Flak tobt. Ich warte, bin so schlaftrunken, mir ist alles gleich. Die Fensterscheibe ist bereits entzwei, Wind mit Brandgeruch weht herein. Unter dem Bettzeug hab ich ein idiotisches Gefühl von Sicherheit, als seien die Decken und Laken aus Eisen. Und dabei soll gerade Bettzeug so gefährlich sein. Dr. H. erzählte mir einmal, wie er eine im Bett getroffene Frau verarzten mußte, der die Federpartikel bis tief in ihre Wunden hineingedrungen waren, so daß man sie kaum herausbekam. Aber es kommt der Augenblick, wo tödliche Müdigkeit über die Angst siegt. So schlafen wohl auch Frontsoldaten im Dreck.
    Ich stand um 7 Uhr auf, der Tag begann mit bebenden Mauern. Nun tobt die Schlacht auf uns zu. Kein Wasser mehr, kein Gas. Ich wartete eine halbwegs ruhige Minute ab und jagte die vier Treppen hoch in meine Dachwohnung. Wie ein Tier in seine umstellte Höhle, so schlich ich mich in die Zimmer, stets zu hastigem Rückzug bereit. Griff mir etwas Bettzeug und Waschkram und floh damit abwärts, in den ersten Stock, zur Witwe. Wir vertragen uns gut miteinander. Man lernt sich schnell kennen in solchen Tagen.
    Mit einem Eimer in jeder Hand wanderte ich durchs blühende Laubengelände zur Pumpe. Die Sonne strahlte so warm. Lange Pumpenschlange, jeder rührte den Schwengel für sich; er bewegt sich schwerfällig, mit Gequietsche. Zurück die Viertelstunde Weg mit überschwappenden Eimern. »Wir sind alle hübsch lastbare Eselinnen.« (Von Nietzsche, glaub ich.) Bei Bolle immer noch Geschubse wegen der Gratisbutter. Bei Meyer endlose, dunkelfarbige Schlange, die ausschließlich aus Männern besteht; es wird dort Schnaps verkauft, pro Ausweis ein halber Liter, alle vorhandenen Sorten.
    Ich ging gleich nochmals Wasser holen. Auf dem Rückweg plötzlich Bombenfall. Aus dem Rasenplatz vor dem Kino stieg eine Säule aus Rauch und Staub. Zwei Männer vor mir warfen sich platt in den Rinnstein. Frauen rannten in den nächstbesten Hausflur, treppab. Ich hinterdrein, abwärts, in einen völlig fremden Keller, der nicht die Spur von Beleuchtung hat. Die

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