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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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allerlei Zeug gegriffen, einen Topf, Handtücher, Verbandmull – was man so braucht. Meine Kehle ist ausgedörrt, der Schlund brennt noch vom Kalkstaub. Zu trinken hab ich hier unten nichts. Dabei sind soeben ungezählte Liter Wasser aus den Heizkörpern oben ausgelaufen. Wir haben –
    Halt, ich will zuvor rekapitulieren, schrieb so lange nicht mehr, und so viel ist passiert. Es begann damit, daß gestern abend gegen 19 Uhr jemand in den Keller kam und meldete, daß drüben im Eckladen Puddingmehl ausgegeben werde. Ich – mit hin, mich angestellt. Plötzlich russische Bomben. Die Schlange blieb erst einmal stehen, wand sich nur in das benachbarte Trümmergrundstück hinein, als ob es unter den Mauerresten Deckung gäbe. In Richtung Berliner Straße sah man Rauch und Flammen. Dann neue Bombenserie, näher. Ich ließ das Puddingmehl fahren und hetzte über den Fahrdamm zum Keller zurück. Ein Mann schrie mir zu: »An der Wand lang!« Geknatter, Trümmer spritzten. Endlich im Keller, wenn auch ohne Puddingmehl. Die Portiersfrau jammerte, weil ihre Tochter drüben geblieben war, hatte sich wohl nicht beim Beschuß über die Straße getraut.
    Nach einer halben Stunde kam sie, ohne Puddingmehl. Hat, wie sie sagt, dolles Schwein gehabt. Hat sich noch in den Keller des Eckladens quetschen können, kurz bevor der Treffer vor dem Haus landete. Einer von denen, die nicht mehr in den Keller hineinkonnten, ein halbwüchsiger Junge, bekam einen Splitter in den Schädel. Die Erzählerin ist beim Hinausgehen über den Toten weggestiegen. Sie zeigt uns nun, wie es ihm weiß und rosa aus der Schläfe quoll. Morgen soll die Verteilung von Puddingmehl weitergehen. Es soll noch genug davon im Laden sein.
    Gegen 21 Uhr ging die Kellergemeinde schlafen. Die Witwe hat nun auch für mich eine Art Bett eingerichtet, im Vorraum zwar, da drinnen zwischen den Stützbalken kein Platz mehr ist, doch weich und warm. Ich schlief ein, erwachte von Bomben. Etwas leckte an meiner herabhängenden Hand. Es war Foxel, der Terrier unseres nicht vorhandenen Hauswirts. Foxel, netter Kerl, hab keine Angst. Wir beide sind allein im Vorraum. Es fehlen hier die Stützen, dafür ist die Luft rein, und es stört uns kein Geschnarch und Gestöhne.
    Früh am Morgen auf, zum Wasserholen an die Pumpe. Ich las draußen zum ersten Mal seit Tagen wieder Gedrucktes, und sogar frisches. Eine Zeitung namens Panzerbär. Jemand hat sie beim Bäcker neben das Schaufenster geklebt. Darin stand der Wehrmachtbericht von Dienstag, also zwei Tage alt. Danach dringt a) der Feind vor und sind b) deutsche Verstärkungen im Anmarsch. Außerdem heißt es, daß Adolf und Goebbels in Berlin seien und dort bleiben würden. Und am Bahnhof Schöneberg, so meldet eine tiefbefriedigte Reportage, baumelt zur allgemeinen Ansicht der Soldat Höhne, Deserteur.
    Frühstück im Keller. Jeder praktiziert, so gut er kann, eine Art von Familienleben. Auf Koffern, Kisten und Stühlen wird mit Hilfe von Papierservietten und Deckchen der trauliche Morgentisch bereitet. Den wärmenden Kaffeepuffs entsteigen Kannen mit Getränken, die auf Holzfeuern oder Spirituskochern bereitet worden sind. Man sieht Butterschalen, Zuckerdosen, Marmeladegläser, silberne Löffel. Es ist alles da. Die Witwe hat in ihrer Küche auf einem Feuer aus zerklopften Sektkisten Bohnenkaffee gezaubert, er tut gut. Ringsum kribblige Luft und Gezänk. Das Kellervolk geht einander auf die Nerven.
    Kurz vor 10 Uhr fiel dann der Koffer aufs Hausdach. Wüster Stoß, Geschrei. Schneebleich kam die Portiersfrau angetorkelt, klammerte sich an einen Balken. Von ihrer Mutter gestützt, folgte S-tinchen, die Achtzehnjährige. Zausig hing ihr das kalkgraue Haar ums junge Gesicht, Blut sickerte dazwischen. Es hat sie erwischt, als sie den Hof überquerte. Sogar das Mätzchen in seinem Bauer hat die allgemeine Erregung mitgespürt, es zickzackte hin und her und piepte schrill.
    Eine Viertelstunde später erst merkte jemand, daß die Heizkörper ausliefen. Wir – hochgerannt. Das heißt, längst nicht alle. Die Postratsfrau zum Beispiel schwenkte ein Attest und schrie, ihr Mann sei herzkrank, dürfe nicht mit. Auch Gardinenschmidt drückte gleich seine fleckige Greisenpfote aufs Herz. Noch andere zögerten, bis Fräulein Behn leitstutenhaft brüllte: »Ihr Dussels quatscht, und oben schwimmen euch die Buden weg«, und voranstürmte, ohne darauf zu achten, wer ihr folgte. Mit etwa fünfzehn anderen Figuren bin ich hinterdreingelaufen.
    Oben im

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