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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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dritten Stock ein See, und es rauscht und rauscht. Wir schufteten, Wasser rieselte von oben, wir wateten knöcheltief im Nassen, wrangen die Teppiche aus, schöpften mit Müllschippen Wasser auf und leerten sie kurzerhand durch die Fenster auf die grellbesonnte, völlig verödet daliegende Straße. Die ganze Zeit hindurch Einschläge, etliche nah. Einmal ein Wirbel von Glassplittern und Kalkstücken, die in das Wasser platschten, doch niemand verletzten.
    Feucht und recht aufgekratzt turnten wir dann wieder kellerwärts. Ich habe die nassen Söckchen unter mich geschlagen, mit den Füßen drin, versteht sich, und überlege: War das nun vernünftig oder unvernünftig gehandelt? Ich weiß es nicht. Jedenfalls war es soldatisch. Leutnantin Behn stürmte voran, ein Stoßtrupp von Freiwilligen folgte ihr und sicherte im feindlichen Feuer unter Lebensgefahr die eigene bedrohte Stellung. (Von Teppich-Habsucht kann keine Rede sein; die wenigsten der Mitgekommenen hatten direkt mit den schwimmenden Wohnungen zu tun – sowenig wie z.B. ich.) Blindlings folgten wir dem Befehl, schonten nicht unsere Haut. Bloß daß kein Lied, kein Heldenbuch so etwas festhält und daß keine Eisernen Kreuze dafür vorgesehen sind. Eines weiß ich jedenfalls: Daß man im Kampfgedränge, im heftigen Tun und Handeln, an gar nichts denkt. Daß man dabei nicht einmal Angst verspürt, weil man völlig abgelenkt und aufgesogen ist.
    Waren wir tapfer? Man nennt es wohl so. Ist Fräulein Behn, die Leitstute, eine Heldin? Als Leutnant wäre ihr das EK gewiß. Also muß ich sogleich umdenken über Heldentum und Kampfesmut. Halb so schlimm damit. Es reißt einen voran, wenn man einmal den ersten Schritt getan hat.
    Typisch auch, daß ich im Wassergetümmel überhaupt nicht an die eigene Dachwohnung dachte und erst von anderen darauf gestoßen wurde, daß sie vielleicht von dem Volltreffer etwas abbekommen haben könnte. Ich flitzte hinauf – und fand den schon geschilderten Saustall. Also werde ich von nun an bei der Witwe hausen. Ihr ist es sehr recht. Sie hat Angst, so allein in der Wohnung. Ihren Untermieter haben sie noch im März zum Volkssturm geholt. Wer weiß, ob der noch lebt. Doch sowas denkt man nur. Man spricht es nicht aus.
    Vier Stunden später, 15 Uhr, wieder im Keller. Wieder bin ich außer Atem, wieder schreibe ich mit zitternden Fingern, und das mit Grund.
    Als es über Mittag draußen stiller wurde, trat ich ins Tor und ließ mir den feuchten Buckel von der Sonne bescheinen. Neben mir der Bäckermeister. Da rannte ein Mann an uns vorbei, er kam von der ehemaligen Schupokaserne her, wo zuletzt Luftwaffe lag, und schleppte eine blutige Rindslende im Arm. Im Vorbeilaufen rief er: »Machen Sie fix, drüben wird alles verteilt.«
    Wir – uns angeguckt und losgerannt, so wie wir waren, ohne Rucksack, ohne alles. Die Henni vom Bäcker, die ewig ihre Nase draußen hat, rannte hinterdrein. Sonne brennt, es ballert schon wieder sachte. Gebückt hasten wir an den Häusern entlang. An der Ecke auf dem Bordstein hocken grauhaarige Soldaten, wohl Volkssturm; sie sehen uns gar nicht an, haben die Köpfe auf ihre Knie gebeugt. Vor der Schupokaserne viele Menschen, mit Körben, Säcken, Taschen. Ich renne in den erstbesten Korridor; er ist dunkel, kühl und ganz leer, also wohl der falsche.
    Ich hetze zurück, höre vor mir Tappen und Keuchen, und Rufe: »Hierher! Hier!« Hab mir draußen eine herumstehende kleine Kiste gegriffen, die schleife ich nun hinter mir her.
    Ich stoße im Finstern Menschen an, bekomme Tritte gegen die Schienbeine. Bin auf einmal in einem Kellerraum, völlig dunkel, keuchende Menschen, Schmerzensschreie, ein Ringkampf in der Finsternis. Nein, hier wird nicht verteilt. Hier wird geplündert.
    Eine Taschenlampe blitzt auf, ich erkenne Regale, Büchsen darauf und Flaschen, aber nur unten, die oberen Regale sind bereits abgeräumt. Ich bücke mich, werfe mich zu Boden und wühle im alleruntersten Fach Flaschen heraus, fünf, sechs Stück, stopfe sie in meine Kiste. Im Dunkeln bekomme ich eine Konservenbüchse zu fassen, da tritt mir einer auf die Finger, und eine Männerstimme schreit: »Das sind meine Sachen!«
    Ich – mit meinen Sachen ab, zur Tür hinaus, in den Nebenraum. Ein matter Lichtschimmer fällt durch einen Riß im Gemäuer. Ich erkenne Brote, ganze Reihen, wieder nur im untersten Fach, greife mir welche, knie wieder am Boden und taste und wühle. Knie in Wein, man riecht ihn, greife in Glasscherben, stopfe alles

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