Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Freundin zum Anbeissen

Eine Freundin zum Anbeissen

Titel: Eine Freundin zum Anbeissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
Vom Netzwerk:
nahm ihre Sticks und setzte sich hinter ihr Schlagzeug. Sie schlug die Sticks zusammen und rief: »Onu, zoi, trosch!«, dann schlug sie mit voller Kraft auf die Drums. Wie die Segel einer Windmühle im Sturm sausten Dakas Arme auf das Schlagzeug nieder. Dazu schrie sie aus Leibeskräften: »YEAH, YEAH, YEAH!«
    Silvania strich mit dem Bogen über ihr Cello und warf dabei den Kopf vor und zurück, als bekäme sie gerade einen Stromschlag. Ein paar Bogenhaare rissen, aber Silvania bemerkte es gar nicht. Sie hatte die Augen geschlossen und presste die Lippen vor Anstrengung aufeinander.
    Silvania und Daka taten das alles nicht, um ihren Vater, der im Keller schlief, zu ärgern. Selbst wenn sie gewollt hätten, konnten sie das nicht. Herrn Tepes' Sarg war zu gut isoliert. Außerdem hatte Herr Tepes einen festen Schlaf, vor allem tagsüber. Silvania und Daka spielten nur für sich. (Vermutlich hätte auch kein anderer diese ›Musik‹ hören wollen. Außer Karlheinz.)
    Ihr alter Musiklehrer in Bistrien hätte es freie Improvisation genannt, Daka nannte es Radical Rage Jam. Sie war nicht gut für die Ohren, aber gut für den Bauch. Vor allem, wenn man jede Menge Wut und Trauer darin hatte, die irgendwohin mussten. Während Silvania sich mit beiden Beinen fest in den Boden drückte, hob Daka hin und wieder zu einem schnellen Looping ab. »BOI, BOI, BOI!«, rief sie dann und schlug in der Luft die Sticks zusammen.
    Daka und Silvania dachten, dass sie nur für sich spielten. Was sie nicht wussten, war, dass ihre Mutter die Terrassentür offen stehen gelassen hatte, bevor sie mit zwanzig Klobrillen in die Stadt gefahren war. Sie wussten außerdem nicht, dass ihr Schlagzeugwirbel und ihre Celloschwingungen sich wie eine akustische Rauchwolke den Lindenweg entlangschlängelten. Besonders im Nachbarhaus, Lindenweg 21, waren sie deutlich zu hören. Die Zwillinge konnten nicht wissen, dass Dirk van Kombast auf seiner Terrasse stand und zur offenen Terrassentür der Tepes' hinüberschielte. Sie konnten erst recht nicht wissen, was in seinem Kopf vor sich ging. Da kam Dirk van Kombast manchmal selbst nicht ganz mit.

Unbekanntes
Flugsubjekt
    D irk van Kombast lauschte mit schräg gelegtem Kopf den krankhaft schiefen Klängen, die aus dem Haus der Tepes' kamen. So etwas hatte er noch nie gehört. Es klang, als würden sich wild gewordene Affen in einem Orchestergraben austoben. Dirk van Kombast steckte sich den Zeigefinger ins Ohr und wackelte, doch davon wurde es nicht besser. Er schüttelte den Kopf, als hätte er Wasser in den Ohren. Auch das funktionierte nicht. Das Affengeschrammel blieb.
    Er hatte Nr. 23 den ganzen Nachmittag beobachtet.
    Subjekt E. T. hatte vor einer Stunde das Haus verlassen. Mit (Dirk van Kombast war sich nicht sicher, aber es sah fast so aus) ungefähr zwanzig Klobrillen. Subjekte M.T., S.T. sowie D.T. waren vor einer halben Stunde mit einem altertümlichen Automobil nach Hause gekommen. Sie waren ohne ein Wort in der Wohnung verschwunden, und dann war der Krach losgegangen.
    Dirk van Kombast lehnte sich zur Nachbarterrasse hinüber und flüsterte in Gedanken: »Mami, wenn du das hören könntest. Es würde dich in den Wahnsinn treiben. Wenn du nicht schon wahnsinnig wärest.« Zwischen den Trommelwirbeln schrie eine grelle Stimme etwas wie ›Hoi‹ oder ›Boi‹.
    Was hatte das alles zu bedeuten? Dirk van Kombast beschloss, es herauszufinden.
    In seinen kuschelweichen, himmelblauen Hausschuhen schlich er lautlos auf die Terrasse der Tepes'. Die große Glastür zum Wohnzimmer stand offen. Herr van Kombast klopfte an den Holzrahmen. »Hallihallo? Ist jemand zu Hause?«, fragte er. Er steckte den Kopf ins Wohnzimmer und sah sich um. Der Raum war menschenleer. Dirk van Kombast schlüpfte durch die Tür und trat ins Wohnzimmer. Er war fast ein wenig enttäuscht. Der Raum sah ziemlich normal aus. Die Möbel waren alt, an der Decke hing ein großer Kronleuchter, der Teppich war hell und flauschig, und vor der Couch stand ein Katzenklo. Die Katzenstreu darin sah verdächtig dunkel aus.
    Auf leisen Hausschuhsohlen ging Dirk van Kombast weiter in den Flur. Der Lärm kam von oben. Trotzdem warf er einen kurzen Blick in die Küche. Bei Nachbarn, die Schnaps mit Afterraupen verschenkten, konnte man nicht vorsichtig genug sein. In der Küche sah es chaotisch aus, aber ansonsten konnte Dirk van Kombast nichts Ungewöhnliches entdecken.
    Langsam stieg er die Holztreppe hinauf. Die Tür des Zimmers, aus dem der Krach

Weitere Kostenlose Bücher