Eine Freundschaft im Winter
Jill«, sagte Lisa. »Jill, das sind meine nichtsnutzigen Nachbarn …«
»Hey, das nehme ich dir übel!«, fiel Eric ihr ins Wort. Dann streckte er Jill die Hand entgegen und sagte in charmantem Tonfall: »Freut mich, dich kennenzulernen.«
Beide grinsten Jill anzüglich an.
»Du hast früher mal auf Hans aufgepasst«, sagte Lisa. »Erinnerst du dich an das Kind der Sorensons?«
»O ja«, erwiderte Jill und lächelte.
»Mein Penis ist seitdem gewachsen«, sagte Hans.
»Super«, entgegnete Jill.
»Eric ist der Oberboss des Schneeraupen-Teams. Hans fährt auch Pistenraupe. Sie präparieren die ganze Nacht lang die Abhänge. Aber manchmal fahren sie morgens noch Ski mit uns, ehe sie sich zu Hause zum Schönheitsschlaf hinlegen. Sie leben in dem hässlichen Trailer nebenan. Und seit letztem Jahr kommen sie öfter rüber, weil sie keinen Fernseher hatten«, erklärte Lisa.
»Stimmt nicht«, sagte Eric. »Wir hatten einen Fernseher. Wir fanden deinen nur besser.«
»Es kommt eben doch auf die Größe an«, fügte Hans hinzu.
»Warum seid ihr nicht bei der Arbeit?«, fragte Lisa.
»Es soll gleich einen heftigen Sturm geben, also machen wir unsere Schicht später«, sagte Eric.
»Einen heftigen Sturm …«, sagte Hans, grinste breit und rieb sich die Hände.
Dann verschwanden sie endgültig im Wohnzimmer. Von der Küche aus konnten Jill und Lisa Filmmusik hören.
Lisa nahm zwei Dosen Health Valley-Biosuppe aus dem Schrank und gab sie in einen Topf. »Tut mir leid, das ist nicht Campbell’s, die wir sonst immer gegessen haben. Dein Onkel hat mich davon überzeugt, die Marke zu wechseln«, erklärte sie. »Es ging um unglückliche Hühner.«
»Klar, man kann natürlich auch keine unglücklichen, kon ventionell aufgezogenen Hühner essen.« Jill lachte. »Was hast du dir nur dabei gedacht?« Als Lisa Jill den Teller mit dem Sandwich hinstellte, piepste Jills Handy. Sie las die Textnachricht. »Hör dir das an: ›Jill, ich verstehe nicht, warum du abgehauen bist. Ich habe an der Visa-Abrechnung gesehen, dass du an Tankstellen auf der Strecke von hier nach Colorado gehalten hast. Bitte, komm nach Hause, Jill. Oder ruf mich wenigstens an.‹«
»Armer David«, sagte Lisa, und ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Er versteht nicht, warum du abgehauen bist.«
Jill drückte ein paar Tasten auf ihrem Handy und sagte: »So, das sollte ihm ein wenig Klarheit verschaffen. Ich habe ihm das Bild geschickt … Wie lautet deine Postfachadresse? Ich werde ihn bitten, mir einen Karton mit Klamotten und etwas Geld zu schicken.«
»Hundertachtunddreißig. Sag ihm, er kann ruhig großzügig sein.«
»Ich rieche geschmolzenen Käse!«, rief Hans aus dem Wohnzimmer.
»Frau, wo bleibt mein Abendessen?«, schrie Eric.
»Leckt mich, ihr beiden!«, brüllte Lisa zurück. Obwohl sie es im Scherz gesagt hatte, fühlte sie eine Erleichterung, als wäre über ein Druckventil etwas von der Wut abgelassen worden, die sie gegenüber Jills Ehemann empfand. »Ich habe darüber nachgedacht, was du machen kannst«, sagte sie, während sie die Suppe in zwei Schüsselchen füllte.
»Ich muss arbeiten, Lisa. David hat die Karten sperren lassen und die Kontonummer geändert, weil er dachte, mein Portemonnaie sei gestohlen worden. Ich habe noch knapp fünfzig Dollar, von denen ich leben muss, bis die Sache geklärt ist. Falls sie je geklärt wird.«
»Wie wäre es mit einem Winterjob in den Bergen? Bei der Rettungsmannschaft der Bergwacht zum Beispiel?«
»Man muss quasi auf dem Wasser gehen können, um an einen solchen Job zu kommen«, gab Jill zu bedenken.
»Für gewöhnlich, ja«, erwiderte Lisa. »Aber es hat sich da gerade eine Möglichkeit ergeben.«
»Tja, mein Körper ist nach allem, was er durchgemacht hat, noch immer etwas mitgenommen. Das Skifahren werde ich erst einmal noch etwas aufschieben müssen, doch ich bin durchaus in der Lage, Knie zu verbinden und Kühlpads aufzulegen.«
Lisa ging zum Küchenfenster und blickte hinaus. »Tom ist der Leiter der Bergwacht und wohnt mit Eric und Hans drüben im Zwinger …«
»Im Zwinger?«
»Das Verhältnis von Menschen und Hunden ist dort total ausgewogen«, erklärte Lisa. »Versprich mir, dass du niemals rübergehen wirst.« Sie konnte sich vorstellen, wie Tom oder Eric Jills Schwachheit skrupellos ausnutzen würden.
»Überredet«, sagte Jill.
»Erinnerst du dich an Tom? Er war eine Klasse über uns. Blondes Haar … Sah aus wie Shaggy aus Scooby-Doo .«
Jill nickte. »O ja,
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