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Eine Freundschaft im Winter

Eine Freundschaft im Winter

Titel: Eine Freundschaft im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaya McLaren
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zwischen zwei Verandastützpfeilern hing eine merkwürdige Mischung aus verfilzten grauen Wollsocken und Spitzenhöschen, alle schwarz bis auf ein einziges violettes. Einen Moment lang zögerte sie und spähte durch das Türfenster ins Innere des Hauses. Sie sah herausgerissene Wände und verstreute Kleidung. Es war dunkel. Sie war sich nicht sicher, ob Lisa noch immer schlief oder ob sie schon zur Arbeit gegangen war. Sie klopfte leise.
    Lisa schlug die Augen auf und fragte sich einen Moment lang, ob Cody zurückgekehrt war, weil ihm endlich klar geworden war, dass er mehr wollte, und er sich auf ihre Vertrautheit und seine Gefühle für sie besonnen hatte. Aber sofort wurde ihr bewusst, wie dumm und naiv es war, so zu denken. Sie stand auf, ging hinunter und näherte sich der Eingangstür. Langsam erkannte sie Jills Gesicht hinter der Glasscheibe. Ein kleines Lä cheln erstrahlte auf Lisas Gesicht, wurde jedoch von der Sorge um ihre Freundin verdrängt, als sie die Tür öffnete.
    Jill lächelte gequält. »Hey, Süße«, sagte sie und hielt Lisas Brief in die Höhe. »Ich komme direkt aus der Hölle.«
    »Du siehst beschissen aus«, sagte Lisa liebevoll und schloss sie fest in die Arme. Dann führte sie sie ins Haus. »Gut, dass du hergekommen bist. Ich weiß genau, was du jetzt brauchst.« Mit Blick auf die herausgeschlagenen Wände fuhr sie fort: »Tja, mir ist irgendwie das Geld ausgegangen, ehe die Renovierung fertig war. Entschuldige bitte das Chaos.«
    Sie gingen in die Küche. Nach Jills letztem Besuch hatte Lisa die Decke türkis und die Wände gelb gestrichen. Töpfe mit Weihnachtskakteen, deren leuchtend rote Knospen kurz vorm Blühen waren, standen auf den Schränken.
    Jill setzte sich auf einen Hocker an den Küchentresen, wäh rend Lisa aus dem Kühlschrank ein paar Selleriestangen heraus holte, sie wusch, klein schnitt und auf einem Teller angerichtet vor Jill stellte.
    »Also, was ist los?«, fragte Lisa. Sie ahnte es, hatte sie doch David gegenüber noch nie ein gutes Gefühl gehabt. »Für eine Reise nach Colorado bist du etwas unpassend gekleidet.«
    »Ich … Ich habe vor sechs Wochen mein Baby verloren.«
    »Oh, Jilly«, sagte Lisa, und ihr stockte der Atem. Sie ging um den Tresen herum, um ihre alte Freundin zu umarmen. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie.
    »Und zudem habe ich gestern Folgendes herausgefunden, sieh mal«, fuhr Jill fort, holte ihr Handy hervor und hielt Lisa das Display hin. »David kennst du ja. Wer das hier ist, weiß ich nicht.«
    Lisa betrachtete das Foto und versuchte zu verbergen, wie angewidert sie war. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich zum Herd, um Tee zu kochen. »Und was hast du getan?«
    »Ich habe mich davongeschlichen. Ich konnte nicht damit umgehen. Ich wollte mir keine Erklärungen oder Entschuldigungen anhören. Das ist nichts, was er erklären kann. Und es ist nichts, wofür er sich einfach entschuldigen kann.« Jill holte tief Luft. »Ich denke, vielleicht ist es das Beste für uns beide, loszulassen und ein neues Leben zu beginnen.«
    Lisa erinnerte sich daran, dass sie einmal ein Gespräch zwischen ihrer Großmutter und ihrer Mutter mit angehört hatte. Ihre Großmutter hatte ihrer Mutter damals gesagt, dass Männer schwache Kreaturen wären, wenn es darum ginge, der Versuchung zu widerstehen, und dass man ihnen Fehltritte vergeben müsse – sie wären weitverbreitet. Ihre Mutter hatte geschluchzt. Obwohl Lisa sich nicht daran erinnern konnte, wie alt sie gewesen war, hatte sie doch die Reife besessen, sich zu schwören, dass sie sich niemals zu einem solchen Leiden verpflichten würde, indem sie heiratete.
    Sie trat hinter Jill, schlang ihre Arme um sie und sagte: »Ich hab dich lieb.«
    Jill legte ihre Hände auf Lisas Arme und schloss die Augen. »Bitte, hilf mir«, wisperte sie. »Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.«
    »Natürlich, Jilly«, versicherte Lisa ihr und wiegte sie sacht in ihren Armen.
    Jills Blick fiel auf einen vergilbten, an die Wand gepinnten Zeitungsausschnitt. Das Bild zeigte sie beide nach gewonnenem Rennen, lachend einander zugewandt und mit in Siegerpose hochgereckten Armen. Sie waren im letzten Schuljahr und so glücklich gewesen. »Ich kann mir nicht vorstellen, mich jemals wieder wie das Mädchen hier zu fühlen«, sagte sie und wies auf das Foto.
    »Nein, aber du wirst dich auch nicht immer so schlecht fühlen wie jetzt«, entgegnete Lisa. »Die guten Zeiten vergehen und die schlechten eben auch.«
    »Du

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