Eine Freundschaft im Winter
Im Zwinger war es dunkel. Nur in Toms Zimmer leuchtete ein schwaches Licht. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Plätzchen zu, drückte die Tube mit der Zuckerschrift und schrieb auf jedes Herz: Liebe. Vorsichtig drapierte sie die Kekse in eine mit Wachspapier ausgelegte Dose, atmete tief durch und ging zur Tür.
Als sie die Eingangstür zum Zwinger aufmachte, bellte Bud Light heiser. Es klang fast wie ein Husten. Sie strich ihm über den Kopf und ging dann langsam den Flur entlang. Sie wusste immer noch nicht, was sie sagen würde. Einen Moment lang stand sie regungslos vor Toms Tür. Dann klopfte sie zweimal an und öffnete sie.
Tom drehte den Kopf, um zu sehen, wer zu Besuch kam. Als er Lisa erblickte, wartete er erst mal ab, was sie tun würde. Er war weder besonders freundlich noch kühl.
Sie wollte am liebsten weglaufen. Die Anspannung zwischen ihnen war beinahe mit Händen greifbar und so unangenehm für sie wie der metallische Geschmack von Pennys.
»Ich weiß, dass du ein guter Mensch bist, Tom«, sagte sie schließlich. »Ich möchte mich für alles entschuldigen, was ich gesagt oder getan habe und was dich hat glauben lassen, ich würde dich nicht für einen guten Menschen halten.«
Er nickte leicht, um ihr zu zeigen, dass er ihre Entschuldigung annahm. Dann sah er sie weiter abwartend an.
Lisa spürte einen Schmerz in der Brust und fragte sich, ob es sein Schmerz war oder der ihre.
»Ich würde dir ohne zu zögern eine Niere spenden, wenn du sie brauchen würdest«, sagte sie leise. Damit stellte sie die Keksdose neben die Tür, drehte sich um und ging langsam den Flur hinunter. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht loszurennen.
»Lisa«, rief Tom ihr hinterher.
Sie holte tief Luft und ging zurück zu seinem Zimmer, blieb aber in der Tür stehen.
»Geh nicht«, sagte er.
Sie zögerte.
Er winkte ihr, damit sie zu ihm kam.
Sie hob die Keksdose auf und schloss die Tür hinter sich. Dann trat sie an sein Bett, kniete sich mit einem Bein auf die Matratze, kuschelte sich an ihn und legte ihren Kopf auf seine Brust.
Er schlang die Arme um sie, strich mit der Wange über ihr Haar und streichelte ihren Rücken.
Lisa hob den Kopf und küsste ihn. Die Musik, die noch vor einigen Minuten schwermütig und traurig geklungen hatte, war jetzt so lieblich und zart wie ihr Kuss.
»Warte«, flüsterte sie und stand auf. Sie machte Toms Vorhang ein Stück weit auf und zündete die Kerze an. Dann kam sie wieder zu ihm und küsste ihn wieder.
Jill und Eric wankten in den Zwinger, nachdem sie in der Gold Pan Bar ein paar Biere getrunken hatten. Na ja, Jill hatte zumindest ein paar Biere gehabt – wie viele Eric getrunken hatte, wusste sie nicht.
»Schh … Sieh doch, die Kerze in Toms Fenster brennt! Er hat Damenbesuch!«, sagte Eric und schaltete den Fernseher ein. »Juhu! Es läuft gerade Das darf man nur als Erwachsener! « Er stürzte in die Küche, warf eine Tüte Popcorn in die Mikrowelle, stürmte zurück und begann, einzelne Sätze mitzusprechen. »Diesen Film habe ich schon unzählige Male gesehen.« Dann holte er das Popcorn, verscheuchte die Hunde und setzte sich aufs Sofa. »Jilly, sieh dir den Film mit mir an. Komm, du kannst dich an mich kuscheln.« Er deutete an seine Seite.
Jill lachte und nahm neben ihm Platz.
»Ich liebe diese Szene!«, sagte er und reichte ihr das Popcorn.
Als die Tüte leer war, gähnte Jill. Die vergangene Nacht war hart gewesen, und sie war unglaublich müde.
»Du kannst deinen Kopf auf meinen Schoß legen«, sagte Eric.
Sie wollte widersprechen, doch dann dachte sie: Warum eigentlich nicht? Also tat sie es. Und zu ihrer Überraschung strich er ihr sacht die Haare aus dem Gesicht. Es war beruhigend. Ihre Mom hatte das früher immer getan, wenn sie krank gewesen war und Trost gebraucht hatte. Wann war sie zuletzt auf diese Art getröstet worden? Richtig, nachdem sie das Baby verloren hatte, hatte David sie so getröstet. Aber jetzt kam ihr das alles wie eine Lüge vor.
Eric lachte wieder über den Film.
Tränen stiegen Jill in die Augen, und so schloss sie sie. Ein paar Tränen kullerten auf Erics Fleecehose, aber vermutlich merkte er es gar nicht. Ihre Gefühle waren so widersprüchlich. Wenn sie es von innen heraus betrachtete, war sie dankbar für die Geste, die nach dem Verlust, den sie erlitten hatte, ein Bedürfnis in ihr stillte. Dieses Gefühl reichte, um Eric gegenüber Liebe zu verspüren – trotz all seiner Unzulänglichkeiten. Doch wenn sie
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