Eine Freundschaft im Winter
zu ihnen hinüberzusehen, während sie ihre dicken Skiklamotten auszogen. Er sah ihre hübschen Gesichter und die glatte Haut, ihre Schön heit und ihre Makellosigkeit. Er erinnerte sich daran, neben Cassie zu sitzen und einen Arm um seine Tochter zu legen. Er erinnerte sich daran, Jills Lippen zu betrachten, wenn sie einen Schluck Kakao aus dem Becher nahm, und die feinen Linien um ihre Augen, die sich vertieften, wenn sie lachte. Er erinnerte sich daran, dass er sich, wenn sie sprach, genehmigte, ihr tief in die Augen zu sehen.
Sie gingen noch mal auf die Piste, und Cassie führte ihnen ihre besten Sprünge vor. Jedes Mal hielt Mike die Luft an und erstarrte, bis sie wieder sicher auf dem Boden landete.
Nachdem der Betrieb des Sessellifts geendet hatte, spazierten sie gemeinsam vom Fuße des Berges über den Parkplatz in die Stadt. Sie lachten, bis ihre Wangen schmerzten, machten Witze und zogen sich gegenseitig auf. Und was Mike am meisten im Gedächtnis blieb, war das Gefühl, wie eine Familie zu sein. Wie eine glückliche Familie.
Kate hatte Cassie früher den ganzen Weg über den Parkplatz Tipps und Hinweise gegeben, und Cassie hatte gelauscht und Fragen gestellt. Sie hatten einander verstanden. Wirklich verstanden. Und Cassie hatte es als den Liebesdienst gesehen, der es gewesen war. Aber bei Jill konnte Cassie einfach Kind sein. Und Mike fand, dass die Kleine nach allem, was sie durchgemacht hatte, ruhig ein bisschen mehr Kind sein durfte.
Was Mike allerdings am meisten in Erinnerung blieb, war, dass er zum ersten Mal seit Langem wieder glücklich war. Rich tig glücklich. In den letzten paar Monaten war sein Leben, wenn überhaupt, erträglich gewesen. Er hatte sich nicht vorstellen können, je wieder glücklich werden zu können. Doch wenn Jill ihn anlächelte, fing er an zu glauben, dass die Aussicht auf ein bisschen Glück mit ihr es wert war, sich ein neues Kindermädchen suchen zu müssen, falls es nicht funktionieren sollte.
Hans und Eric waren dabei, Pisten zu präparieren, und Jill war zu ihrem Zweitjob bei den Jones aufgebrochen, also bekam niemand mit, dass Tom zu Lisa ging und einfach dort blieb. Niemand bemerkte, dass sich etwas verändert hatte. Lisa wollte es so.
Tom hatte sich auf seinen Ellbogen gestützt, während sie auf dem Rücken neben ihm lag. Mit der anderen Hand spielte er mit ihren klammen Locken und betrachtete bewundernd ihr Gesicht.
Sie versuchte, ihre Angst hinter einem Lächeln zu verstecken. Diese Geschichte, diese Situation, diese Beziehung (oh, wie sie das Wort hasste) konnte sich in so viele Richtungen entwickeln.
»Ich verstehe nicht, warum wir daraus ein Geheimnis machen sollen«, sagte Tom. »Wenn wir es geheim halten, kann ich nur alle drei Tage zu dir rüber, wenn Jill bei Cassie ist und die Jungs bei der Arbeit sind. Wenn wir uns aber outen, kann ich so oft hier sein, wie du es zulässt.«
»Hast du eigentlich eine geheime Stelle?«, fragte sie.
»Ach, Baby, ich glaube, du kennst meine geheime Stelle«, scherzte er.
»Nein, das meine ich nicht. Ich meine einen Platz, an den du dich zurückziehst, wenn du nachdenken oder beten oder dich neu orientieren musst … Einen Ort, der dir heilig ist.«
»Ja«, sagte er.
»Und du würdest nicht wollen, dass eine Horde von Leuten an deinem Zufluchtsort eine Bierparty schmeißt, nicht wahr?«
»Tja, da bin ich mir gar nicht so sicher …«
»Gut, du bist dir aber sicher, dass du nicht wollen würdest, dass eine Horde von Leuten sich in den Wäldern um deinen Zufluchtsort herum ungeniert erleichtert und danach überall Klopapier herumliegen lässt, oder?«
»Das stimmt«, sagte Tom.
»Das empfinde ich genauso, wenn ich über uns nachdenke. Und Klatsch und Tratsch sind wie dieses Klopapier. Und das möchte ich an meinem geheimen Ort nicht haben.« Sie legte ihre Hand hinter seinen Kopf und zog ihn zu einem Kuss an sich. »Denn die Sache zwischen uns ist mir heilig. Und ich weiß, dass andere Menschen das nicht so sehen und nicht verstehen. Ich möchte es nicht erklären müssen. Ich möchte es einfach für mich behalten, damit es heilig bleibt.« Und später, wenn er den Fehler begehen und mit einer vollbusigen Frau schlafen würde, die er in einer Bar kennengelernt hatte, sollte niemand wissen, dass sie je mit ihm zusammen gewesen war. Niemand sollte dann wissen, dass sie so dumm gewesen war – dumm genug zu glauben, dass er etwas anderes sein könnte, als er immer schon gewesen war. Niemand sollte dann wissen,
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