Eine für alle
Wasser, wissen Sie.«
»Sie braucht einen Arzt und ein heißes Bad, aber sie wollte uns nicht sagen, wen wir anrufen sollen.« Der Sergeant sprach über mich, als ob ich tot im Nebenzimmer läge. Ich klopfte mich unter der Decke ab. Die Halfter war noch da. Der Gürtel mit den Dietrichen für siebenhundert Dollar war jedoch fort. Ich konnte mich schwach daran erinnern, dass ich ihn unter Wasser abgelegt hatte, als ich die Jacke auszog und mir die Schuhe von den Füßen trat, damit meine Last leichter wurde. Meine Brieftasche steckte noch in der Jeanstasche. Die Cops hätten sie herausholen und ohne viel Mühe meine Adresse finden können, aber ihre Hauptsorge war, dass ich mich wieder in das dreckige Wasser des Sanitary Canal stürzen könnte.
»Willst du darüber sprechen, Warshawski? Klimczak von der Wasserstreife sagt, du hast darauf bestanden, dass ich geholt werde. Ich bin aufgestanden, um dich abzuholen - ich bin gar kein glücklicher Cop, wenn du jetzt nicht den Mund aufmachst.« Finchleys scharfer Ton brachte mich ins kahle Verhörzimmer auf dem ersten Revier zurück. In dem gestärkten Hemd und mit den messerscharfen Bügelfalten sah er nicht danach aus, als wäre er eben aus dem Bett gewankt. Rawlings, den er irgendwann im Verlauf der Aktion angerufen hatte, wirkte in einem zerknitterten T-Shirt und Jeans überzeugender in dieser Rolle. Seine Augen waren rot, und er schien wütend zu sein oder nervös oder eine Mischung aus beidem.
»Ich fürchte, ich bekomme die Cholera. Vom Kanal, meine ich. Aber ich hatte keine andere Wahl. Sie hätten mich überfahren, wenn ich nicht hineingesprungen wäre.« Unter der Decke fühlte sich mein Haar verfilzt an.
Finchley nickte, als hätte ich etwas vollkommen Sinnvolles gesagt.
»Wer?« Rawlings explodierte. »Wer hätte Sie überfahren? Und was zum Teufel hatten Sie dort verloren? Klimczak hat sich Sorgen gemacht, Sie wollten Selbstmord begehen, aber ich habe ihm gesagt, er soll sich keine falschen Hoffnungen machen.«
»Reimt's euch zusammen, Jungs.« Meine Worte kamen langsam heraus, aus weiter Ferne. Ich brachte es nicht fertig, schneller zu sprechen. »Ihr wisst, was sich bei Diamond Head abspielt, stimmt's? Ich meine, in euren Augen gar nichts. Dort ist gar nichts passiert. Und in meinen Augen ist dort ein Mann umgebracht worden. Und der Fabrikleiter will nicht mit mir reden. Und Jason Felitti, der Besitzer, wirft mich aus seinem Haus. Also bin ich hingegangen, um selber nachzuschauen. Und voilä!«
Ich wedelte mit der Hand wie eine Betrunkene aus einem Comic-Heft. Offenbar hatte ich derart überschwängliche Gesten nicht unter Kontrolle. »Und voilä was?«, hakte Finchley nach.
Ich hob mit einem Ruck den Kopf - ich döste schon wieder ein. »Sie haben mitten in der Nacht Kupfer von Paragon auf Lastwagen verladen.«
»Soll ich sie deshalb festnehmen?«, wollte Rawlings wissen.
Ich schaute ihn mit Eulenaugen an. »Das ist eine Idee. Keine schlechte Idee. Warum haben sie denn überhaupt Kupferspulen von Paragon? Nein, das ist eine einfache Frage. Sie haben das Kupfer gekauft, um ihre kleinen Motorendinger herzustellen, nehme ich an. Warum bringen sie es weg? Heimlich in der Dunkelheit? Das ist die schwierige Frage.«
»Woher weißt du, dass sie es heimlich tun? Ein aktives Unternehmen kann doch jederzeit Waren verladen.« Finchley schlug die Beine übereinander und zog die Bügelfalte gerade. »Sie haben es in geschlossene Lastwagen geladen. Spulen kommen auf Tieflader. Außerdem, warum haben sie, als sie gesehen haben, dass ich sie beobachte, nicht euch Jungs gerufen? Warum haben sie mich stattdessen in den Kanal gejagt?« Der Schatten eines Lächelns huschte über Finchleys Ebenholzgesicht. »Wenn du jemanden auf deinem Grundstück erwischt hättest, Vic, bezweifle ich, ob du als Erstes mich angerufen hättest. Ich nehme an, du hättest eine Mordswut gekriegt und die Kerle selbst vertrieben, wenn du gekonnt hättest.«
Ich brachte mein Gehirn nicht dazu, stichhaltige Argumente zu produzieren. »Ich habe auf sie geschossen. Ich glaube, einen habe ich getroffen. Hat jemand das gemeldet? War vielleicht jemand hier, um Anzeige zu erstatten?«
Daraufhin gingen Finchleys Augenbrauen nach oben. Er gestikulierte in Richtung einer Ecke, und eine uniformierte Frau stand auf und schlüpfte aus der Tür. Ich hatte sie gar nicht bemerkt.
»Mary Louise Neely«, sagte ich laut.
»Ja, das ist Officer Neely«, sagte Finchley. »Sie überprüft das mit dem
Weitere Kostenlose Bücher