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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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verschlungen.
    Die meisten Leute, mit denen ich Jura studiert hatte, waren jetzt schon seit drei Stunden oder länger bei der Arbeit. Und die meisten mussten, wie Freeman Carter gestern Abend angedeutet hatte, nicht auf ein neues Paar Nikes verzichten, weil der blöde Nachbar die Hündin von der Leine gelassen hatte, während sie läufig war. Ich blieb vor Mrs. Frizells Haus stehen und schaute den Grund meiner Finanzsorgen stirnrunzelnd an. Der schwarze Labrador und der Muff waren hinter dem Haus gewesen, hatten gejault und am Tor gekratzt, aber als sie mich hörten, rannten sie nach vorn und bellten mich an. Im Haus sah ich zwei weitere Nasen, die sich unter die ramponierte Jalousie quetschten, um sich dem Gebell anzuschließen.
    »Warum tust du nichts Nützliches?«, schimpfte ich mit dem Labrador. »Besorg dir einen Job, tu was, um die Familie zu ernähren, die du in die Welt gesetzt hast. Oder klau bei Todd Pichea dort drüben ein Paar Joggingschuhe für mich.«
    Pichea war der Anwalt, der vom Verschönerungsverein für die Gegend verlangte, Mrs. Frizell vor Gericht zu bringen. Sein Holzhaus war in makellosem viktorianischem Stil restauriert worden, eierschalenbraun gestrichen, mit bogenförmigen Verzierungen in leuchtenden Rot- und Grüntönen. Und der Garten mit den frühblühenden Sträuchern und dem sorgfältig gepflegten Rasen unterstrich noch, wie ordinär Mrs. Frizells Unkrauttonne war. Es war wohl schiere Perversität, dass mir das Haus der alten Frau lieber war. Der Labrador wedelte in liebenswürdiger Zustimmung mit dem Schwanz, bellte mich ein paarmal an und kehrte nach hinten zurück. Der Muff folgte. Ich fragte mich müßig, wo Mrs. Frizell sein mochte; halb war ich darauf gefasst, dass sie hinter den Nasen am Vorderfenster auftauchte und mir zornig mit der Faust drohte. Ich lief meine acht Kilometer zum Hafen und zurück und vergaß Mrs. Frizell und die Hunde. Am Nachmittag zwang ich mich, ein paar Routineaufträge von Stammkunden zu erledigen. Daraugh Graham, mein sicherster und am besten zahlender Klient, rief um halb fünf an. Er war nicht zufrieden mit den Papieren eines Mannes, den er befördern wollte. Bis zum nächsten Nachmittag wollte er Informationen über einen Clint Moss, was mich veranlasste, mit den Zähnen zu knirschen - natürlich leise. Ich brauchte neue Joggingschuhe und musste außer Peppys Rechnungen die Raten für den Trans Am und meine Wohnung bezahlen.
    Ich schrieb die von Graham über Moss gelieferten Daten auf ein Formular. Als ich Rechnungen für die beiden Aufträge tippte, die ich erledigt hatte, klingelte das Telefon wieder. Ich war versucht, es läuten zu lassen, aber meine Finanzlage ließ das nicht zu. Carol Alvarado war in der Leitung. Ich wünschte, ich hätte es läuten lassen. »Vic, kann ich heute Abend vorbeikommen? Ich muss mit dir reden.« Ich knirschte wieder mit den Zähnen, dieses Mal hörbarer. Ich wollte in ihrem Streit mit Lotty nicht Partei ergreifen; denn das wäre die sicherste Methode, mir die Freundschaft mit beiden für immer zu verscherzen. Aber Carol bettelte, und wider Willen musste ich an die vielen Male denken, wo sie mir zur Seite gestanden hatte, wenn Lotty gedroht hatte, mir den Hals umzudrehen, weil ich oder einer meiner Klienten nach Handgreiflichkeiten zum Zusammenflicken in ihre Praxis gebracht wurde.
    Carol kam um acht und brachte eine Flasche Barolo mit. Ohne den Schwesternkittel und in Jeans sah sie klein und jung aus, fast wie ein Waisenkind. Ich machte die Flasche auf und schenkte zwei Gläser voll.
    »Auf die alte Freundschaft«, prostete ich ihr zu.
    Wir plauderten eine Weile drauflos, ehe sie auf ihr Problem zu sprechen kam. »Hat Lotty dir gesagt, was ich vorhabe?«
    »Zu Hause bleiben, um den Vetter deiner Mutter zu pflegen?«
    »Das ist nur ein Teil der Geschichte. Guillermo war schwer krank, Lungenentzündung, Komplikationen, und er ist im County, wo sie nicht gerade darauf eingerichtet sind, ihn rund um die Uhr zu pflegen. Deshalb möchte Mama ihn nach Hause holen, und selbstverständlich helfe ich ihr. Mit guter, professioneller Pflege bringen wir ihn vielleicht wieder auf die Beine, jedenfalls für eine Weile. Lotty glaubt, ich lasse sie im Stich, werfe mich weg ... «
    Ihre Stimme verebbte, und sie rieb den Rand ihres Glases. Es war dicke, grobe Ware, mit der sich kein hoher Summton erzeugen ließ.
    »Du kannst dich nicht beurlauben lassen, statt zu kündigen?«
    »Die Wahrheit ist, Vic, dass ich die Praxis leid bin.

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