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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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bestimmt nicht, dass sein alter Kumpel wieder auf der Wohnzimmercouch schlief. Und bei näherer Betrachtung wollte ich das auch nicht. Ich stapfte wieder die Treppe hinauf und gab Mrs. Polter fünfzig Dollar. Sie verschwanden hinter der Sicherheitsnadel an ihrem Busen, aber sie sagte kein Wort. Jetzt hatte ich von Mr. Contreras' Vorschuss noch einen Zehner übrig, den ich in den Kneipen auf der Südseite auf den Kopf hauen konnte.
    Unten an der Treppe hielt ich den Rädelsführer des Radlertrios an. »Ich suche nach einem alten Mann, der am Montagnachmittag hier herausgekommen ist. Weiß. Jede Menge graue Haare, ungekämmt, dicker Bauch, trug vermutlich Hosenträger und alte Arbeitshosen. Wisst ihr, in welche Richtung er gegangen ist?« »Ist das ein Freund von Ihnen, Miss?«
    »Er - äh, er ist mein Onkel.« Ich glaubte nicht, dass dieses Grüppchen positiv auf eine Detektivin reagiert hätte.
    »Wie viel ist es Ihnen wert, ihn zu finden?«
    Ich verzog das Gesicht. »Vielleicht einen Zehner.«
    »Da kommt er ja gerade!« Einer der Jungen hopste vor Aufregung mit dem Fahrrad am Randstein auf und ab. »Direkt hinter Ihnen, Miss!«
    Ich hielt die Handtasche fest und drehte den Kopf. Der Junge hatte recht. Ein alter Weißer mit dichtem, grauem Haar und einem Schmerbauch stolperte die Straße entlang auf uns zu. Und ein zweiter kam gegenüber eben aus Tessie's Tavern. Vermutlich gab es tausend Männer wie Mitch, die auf dem Dreikilometerstreifen zwischen der Ashland und der Westend Avenue herumstrichen. Bei der Aussicht ließ ich die Schultern hängen. Ich drehte mich um und wollte die Straße überqueren.
    »Hey, Miss, was ist mit unserem Geld?« Das Trio umringte mich plötzlich auf den Rädern.
    »Na ja, das war nicht mein Onkel. Aber er sieht ihm ähnlich, also ist das wohl einen Fünfer wert.«
    Ich wühlte in meiner Handtasche und zog einen Fünfer heraus, ohne die Brieftasche zu zücken. Ich hätte nicht so misstrauisch sein sollen wie Mrs. Polter, aber sie hatten mich eingekreist.
    »Sie haben zehn gesagt«, sagte der Rädelsführer vorwurfsvoll.
    »Nehmt's oder lasst es bleiben.« Ich starrte ihn kühl an, die Arme verschränkt. Ich weiß nicht, ob es an meiner ungerührten Miene lag oder daran, dass Mrs. Polter plötzlich zum Feuerlöscher griff, aber die Räder lösten sich von mir. Ich schlenderte über die Straße und schaute mich erst um, als ich die Tür von Tessie's Tavern erreichte. Die drei radelten Richtung Ashland Avenue, vermutlich, um ihren Reichtum auf den Kopf zu hauen.

9
    Rohdiamant
    Tessies Kneipe war ein kurzer, schmaler Raum mit drei Pressspantischen und einer Bar, an der acht bis neun Leute Platz hatten. Zwei Männer in staubigen Arbeitshemden saßen nebeneinander am Tresen. Einer hatte die Ärmel hochgerollt und zeigte Arme mit dem Umfang von Brückenpfeilern. Beide blieben bewegungslos sitzen, als ich an die Bar trat. Eine Frau in mittleren Jahren, die mir den Rücken zuwandte, drehte sich von den Gläsern, die sie spülte, mir zu. Eine Art Radar schien ihr zu sagen, wann ein Gast kam. »Was kann ich für Sie tun, Schätzchen?« Ihre Stimme war wie ihr Gesicht, klar und angenehm.
    »Ich hätte gern ein Bier vom Fass.« Ich rutschte auf einen Barhocker. Bier ist nicht mein Lieblingsgetränk, aber beim Abklappern von Bars kann man nicht dauernd Whisky trinken, und Kneipenbesitzer sind gegenüber Club-Soda-Konsumenten nicht besonders mitteilsam.
    Der hemdsärmelige Mann trank sein Bier aus und sagte: »Noch mal dasselbe, Tessie.« Ein Männertrio schlenderte herein und begrüßte sie.
    »Das Übliche, Jungs?«, fragte sie und griff nach sauberen Bierkrügen. Sie nahmen die Biere mit zu einem der Pressspantische.
    »Möchten Sie noch was, Schätzchen?«, fragte sie, als ich mich zwang, den letzten Schluck des dünnen, bitteren Gebräus zu trinken.
    »Ehrlich gesagt, ich suche meinen Onkel. Ich hab mich gefragt, ob Sie ihn vielleicht gesehen haben.« Ich fing an, Mitch zu beschreiben, aber sie unterbrach mich.
    »Das hier ist kein Babysitterservice, Schätzchen. Das macht fünfundsiebzig Cent für das Bier.«
    Ich fischte in meiner Jeanstasche nach einem Dollar. »Ich verlang doch nicht von Ihnen, dass Sie den Babysitter spielen. Aber er ist am Montag verschwunden, und er hat die schlechte Angewohnheit, auf Sauftouren zu gehen. Ich will versuchen, seine Spur zu finden. Er ist eben bei Mrs. Polter auf der anderen Straßenseite eingezogen.« Sie strich sich mit den Händen über die molligen

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