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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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bringen will, meinen Brief nicht zu veröffentlichen?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Ich glaube, dass er den guten Namen von Crawford schützen will. Unter diesen Umständen würde das jeder tun. Bring mir richtigen Dreck, dann schlage ich mich für dich. Das hier bringt's einfach nicht. Du bist auf einem Kreuzzug für die alte Frau, und das verzerrt deine Perspektive.«
    »Das ist eine Story. Das passiert doch jetzt überall in Lincoln Park, weil sich die Yuppies in die alten Quartiere drängen. Leute werden aus Bungalows vertrieben, in denen sie ihr ganzes Leben verbracht haben, und müssen den heiligen Sanierern Platz machen. In diesem Fall kommt nur noch hinzu, dass Pichea einen persönlichen Rachefeldzug gegen eine alte Frau führt, weil er ihre Hunde nicht leiden kann.«
    Murray schüttelte den Kopf. »Das kannst du mir nicht verkaufen, V. I.« Ich zog einen Fünfer aus der Brieftasche und klatschte ihn auf den Tisch, zu wütend zum Essen. »Komm in Zukunft bloß nicht zu mir gelatscht, weil du einen Gefallen willst, Ryerson, denn ich tu dir keinen.«
    Als ich zur Tür stürmte, sah ich, dass er nach meinem Putensandwich griff und es in Angriff nahm. Großartig. Der vollkommene Abschluss eines schlimmen Vormittags. Auf dem Weg nach Schaumburg machte ich auf einen Milchshake in einem Schnellrestaurant Station. Nur mit Wut im Bauch konnte ich nicht ewig weitermachen, und ich wollte auf meine potenziellen Klienten professionell wirken. Zum Glück hatte ich heute Karriereklamotten an, einen graubraunen Hosenanzug mit schwarzem Baumwolltop. Und weil ich den Shake durch einen Strohhalm trank, bekleckerte ich mich nicht einmal damit.
    Die Besprechung dauerte den ganzen Nachmittag. Um halb sechs verabschiedete ich mich mit einem Vorschlag und schloss mich der Autoschlange auf der Interstate 290 an, die nach Chicago zurückkroch. Es gab keine gute Strecke von den Vororten im Nordwesten nach Evanston. Um diese Tageszeit gab es in den Vororten im Nordwesten überhaupt keine Strecke, auf der man vorankam, Punkt. Ich bog an der Golf Road ab und fuhr direkt nach Osten. Das konnte auch nicht langsamer als auf der Schnellstraße gehen. Die Cubs spielten in Philadelphia. Ich schaltete das Radio ein, weil ich wissen wollte, ob das Spiel angefangen hatte, bekam aber nur das schwachsinnige Gewäsch, das Harry Carey seine Einstimmung auf das Spiel nannte. Ich schaltete um auf WBBM 65 und die Nachrichten. Auf der Welt tat sich nichts, was mich besonders interessierte. »Was für eine Überraschung«, murmelte ich und versuchte es bei NBC. Der Verkehr staute sich auf allen Schnellstraßen, weil Leute wie ich vom Rumgammeln in den Vororten zurückkamen. Auf der Golf Road auch, obwohl der Mann im Hubschrauber sie nicht erwähnte. Ich bremste heftig, als ein kastanienbrauner Honda sich in die Kolonne quetschen wollte. Blödmann. Er setzte sich hinter mich, so dicht, dass er mich rammen würde, falls ich plötzlich bremsen musste.
    Niemand hatte die Leiche eines älteren Mannes identifiziert, die heute in Stickney aus dem Sanitary and Ship Canal gezogen worden war. Wir bekamen einen aufgeregten Livebericht von Ellen Coleman, die die Leiche gefunden hatte, als sie mit ihrem Mann Fred am Kanal entlanggegangen war, auf der Suche nach Münzen. »Und ich hab zu Fred gesagt, ich glaub, heute Abend kann ich keinen Hackbraten ertragen, nachdem ich dieses Stück Hackfleisch gesehen habe«, äffte ich sie wütend nach und kehrte zu Harry Carey zurück.
    Es war sechs, als ich den Rand von Evanston erreichte. Mein Leinenjackett war schlapp vom Schweiß. Als ich im Rückspiegel mein Gesicht überprüfte, sah ich einen schwarzen Schmierstreifen auf meiner Wange. Die dunklen Locken klebten mir nass an der Stirn. Ich fand ein Kleenex in der Handtasche und wischte mir das Gesicht mit Spucke sauber. Am Rest meiner Erscheinung konnte ich nichts ändern.
    Max' Haus gehörte zu einer kleinen Siedlung, die sich einen Privatpark und ein Stück Ufer von Evanston teilte. Als ich in die Einfahrt einbog, beugte sich Max über die Brüstung der Veranda im ersten Stock. »Die Tür ist offen, Vic; komm herauf.«
    Eine flache Stufe führte zum Portikuseingang. Die Luft im Haus war ruhig und kühl. Ich konnte mir zwischen dem chinesischen Porzellan, das Nischen füllte und im Flur und im Treppenhaus stand, weder Hitze noch Schweiß vorstellen. Inmitten von Max' makelloser Ordnung kam ich mir schlampig und fehl am Platze vor. Meine schwarzen Pumps überzog eine

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