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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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erlaubt, aber ich trödelte weiter auf der rechten Spur entlang und versuchte abzuschätzen, wie weit es bis nach Stickney war und wie schnell das Wasser strömen musste, um eine Leiche dorthin zu treiben. Es war freilich keine gerade Strecke. Eine Leiche konnte sich an einer Biegung verfangen und tagelang hängenbleiben.
    Mir wurde klar, dass ich nicht über die richtigen Anhaltspunkte für eine Schätzung verfügte. Ich warf einen Blick auf den Verkehr und schaltete in einen höheren Gang. Links hinter mir hielt ein Honda zwei Längen Abstand; alle anderen sausten mit gutem Tempo vorbei. Ich musterte den Honda kurz, um mich zu vergewissern, dass er nicht aufholte, drückte auf die Lichthupe und gab Gas.
    Es ist blöd, ein Auto zu kaufen, das zweihundert fährt, wenn man in einer Gegend wohnt, wo das Tempolimit neunzig oder darunter beträgt. Noch blöder ist es, es auf Touren zu bringen, ohne Ausschau nach den blau-weißen Polizeiautos zu halten. Eins stoppte mich ein paar Straßen nördlich von der Belmont Avenue. Ich fuhr an den Straßenrand und holte meinen Führerschein und die Zulassung heraus.
    Ich schaute auf das Namensschild des Polizisten. Officer Karwal, kein Name, den ich kannte. Er war in den Fünfzigern, mit tiefen Falten um die Augen und den typischen langsamen Bewegungen des Verkehrspolizisten. Er schaute sich meinen Führerschein stirnrunzelnd an und musterte mich dann gründlich. »Warshawski? Eine Verwandte von Tony Warshawski?«
    »Er war mein Vater. Haben Sie ihn gekannt?« Tony war jetzt seit dreizehn Jahren tot, aber es gab bei der Polizei noch eine Menge Männer, die mit ihm zusammengearbeitet hatten.
    Es stellte sich heraus, dass Officer Karwal zu den vielen Polizeianwärtern gehört hatte, die mein Dad in seinen vier Jahren bei der Polizeiakademie ausgebildet hatte. Karwal verbrachte gute zehn Minuten damit, in Erinnerungen an meinen Vater zu schwelgen. Er tätschelte mir den Arm, als er sagte, wie leid es ihm tue, dass Tony gestorben sei. »Und Sie sind ganz allein, ja? Ich habe Ihre Ma nie kennengelernt, aber alle, die sie kannten, waren begeistert von ihr. Hören Sie, Sie wissen, was Tony gesagt hätte, wenn er wüsste, dass Sie in Ihrem Sportwagen so herumrasen.«
    Und ob ich das wusste. Als ich achtzehn war, hatte er mir das Auto weggenommen, weil ich zu schnell gefahren war. Tony hatte zu viele Leichen aus zertrümmerten Autos gezogen, als dass er leichtsinniges Fahren geduldet hätte.
    »Seien Sie also vorsichtig. Dieses Mal schreibe ich Sie nicht auf, aber wenn ich Sie wieder anhalten muss, mach ich's.«
    Ich versprach, brav zu sein, ließ den Trans Am wieder an und fuhr mit friedlichen siebzig zur Belmont-Ausfahrt. Als ich an der Ampel am Broadway hielt, sah ich den Honda wieder, zwei Autos hinter mir. Unter den Straßenlampen konnte ich nicht genau sehen, ob er kastanienbraun war, aber er wirkte so.
    Natürlich gab es Hondas wie Sand am Meer, und Kastanienbraun ist eine der beliebtesten Farben. Es hätte Zufall sein können. Ich schaltete den rechten Blinker ein und fuhr langsam den Broadway entlang zur Addison Street, dann bog ich schnell und ohne zu blinken in die Sheffield Avenue ein, wo ich neben dem Wrigley Field parkte. Ich ging flott zum Kartenschalter, tat, als studiere ich die Öffnungszeiten, und fuhr dann nach links herum. Der Honda hielt am Rand der Clark Street. Ich schaute ihn nur kurz an, wollte den Kerl nicht wissen lassen, dass ich ihn gesehen hatte, sondern ging rasch zum Trans Am zurück. Der Kerl saß sowieso in der Tinte; ich hätte einfach die Sheffield Avenue entlang verschwinden können, und er hätte nicht viel dagegen unternehmen können.
    Ich bog schnell nach rechts in die Waveland Avenue ab, fuhr dann auf der Halstedt Street zur Diversey Avenue und von dort aus nach Hause. Mit einiger Mühe erinnerte ich mich an den Namen des Mannes, den ich am Freitag bei Diamond Head kennengelernt hatte. Er hatte gesagt, er werde Nachforschungen über mich anstellen lassen - es sah danach aus, als hätte er bereits damit angefangen.

16
    Showdown in der Leichenhalle
    Ich musste mit Mr. Contreras reden, aber erst wollte ich baden. Ein kurzes Bad, ein kurzes Nickerchen, dann zurück zur Pflicht, versprach ich den Göttern des Gewissens. Der Whisky, den ich in der Wanne trank, war ein Fehler: Es war nach halb zehn, als das Telefon mich wieder weckte.
    Ich streckte den Arm danach aus, aber als ich zum Hörer griff, war die Leitung tot. Ich rollte mich wieder auf die

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