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Eine für alle

Eine für alle

Titel: Eine für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Seite, aber trotz Müdigkeit und Johnnie Walker erinnerte ich mich an Mitch Kruger und die unbekannte Leiche, die aus dem Sanitary Canal gezogen worden war. Ich setzte mich im Bett auf und massierte mir den Nacken, den die Wut, die ich fast den ganzen Tag lang mit mir herumgeschleppt hatte, ganz steif machte. Schwerfällig ging ich in die Küche und kochte Kaffee. Während ich ihn in schnellen, brennend heißen Schlucken trank, rührte ich aus Zwiebeln und gehacktem Spinat eine Frittata zusammen. Ich aß sie beim Anziehen, Baumwollhosen und eine Baumwollbluse, weil der Abend immer noch schwül war, und ließ den Teller an der Wohnungstür stehen, als ich nach unten ging. Mr. Contreras war noch auf; ich konnte hinter der Tür das schwache Gedudel des Fernsehers hören, als ich klingelte. »Oh, Sie sind's, Engelchen.« Er trug ein ärmelloses Unterhemd über alten Arbeitshosen. »Lassen Sie mich erst mal was überziehen. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich mich auf keinen Fall ausgezogen.«
    Ich hätte ihm am liebsten gesagt, ich könne den Anblick seiner Achselhöhlen ertragen, wusste aber, dass ihm nicht wohl dabei war, ohne Hemd mit mir zu sprechen. Ich wartete auf der Schwelle, bis er sich bedeckt hatte. »Wissen Sie was über Mitch, Engelchen?«
    »Kann ich hineinkommen? Leider nein. Ich war heute mit etwas anderem beschäftigt.« Ich erzählte ihm von meinen fehlgeschlagenen Versuchen, gegen Todd Pichea in die Offensive zu gehen.
    Mr. Contreras verbrachte eine Weile mit einer äußerst plastischen Schilderung von Todd und meinem Exmann, die mit dem vorhersehbaren Refrain endete, er wisse nicht, was ich je an Dick gefunden hätte. »Und es überrascht mich nicht, dass Ryerson Ihnen nicht helfen will. Der Kerl interessiert sich bloß für sich, das hab ich Ihnen doch schon hundertmal gesagt. Ich verstehe, warum Sie keine Zeit hatten, sich um Mitch zu kümmern, und außerdem waren Sie ja erst gestern dort, in seiner alten Gegend. Ich nehme an, ich war schiefgewickelt, als ich mir Sorgen um ihn gemacht hab. Er wird in den nächsten Tagen schon wieder auftauchen, das haben Typen wie er so an sich.« »Jetzt kommt der schlimmste Teil«, sagte ich beklommen. »Als ich auf der Heimfahrt Nachrichten gehört habe, kam ein Bericht über einen Mann, den sie aus dem Kanal gezogen haben. Das war in Stickney, deshalb kann ich mir nicht recht vorstellen, dass es Ihr Freund gewesen sein könnte. Aber ich musste mir einfach Gedanken darüber machen.«
    »In Stickney?«, wiederholte Mr. Contreras. »Was hätte Mitch denn in Stickney verloren gehabt?«
    »Ganz Ihrer Meinung. Ich bin mir sicher, dass ich mich irre. Aber ich hab gedacht, wir sollten uns die Leiche trotzdem anschauen.« »Jetzt, meinen Sie?«
    »Wir können bis morgen früh warten. Wenn es nicht Kruger ist, kann ich heute Nacht sowieso nichts mehr tun, um ihn zu finden. Und wenn er es sein sollte, ist er morgen früh auch noch in der Leichenhalle.«
    Mr. Contreras rieb sich das Gesicht. »Na ja, wenn Sie das machen wollen, Engelchen, würd ich lieber jetzt hinfahren und es hinter mich bringen.«
    Ich nickte. »Ich hab auf alle Fälle die Autoschlüssel mitgebracht. Sind Sie bereit zum Aufbruch?«
    »Ja, schon. Vielleicht lasse ich erst noch die Prinzessin hinaus.«
    Während ich darauf wartete, dass Mr. Contreras die mühselige Prozedur, seine Wohnungstür zu sichern, beendete, dachte ich plötzlich an den Anruf, der mich geweckt hatte. Wenn ich jemanden verloren hätte, den ich beschattete, hätte ich möglicherweise genau das getan: bei der Zielperson zu Hause angerufen, um herauszufinden, ob sie sich meldete.
    »Was haben die in den Nachrichten gesagt, dass Sie auf die Idee gekommen sind, es könnte Mitch sein?«, fragte Mr. Contreras, als wir uns im Trans Am angeschnallt hatten. Ich schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Es klang bloß so, als ob es möglich wäre. Ich war am Freitag am Sanitary Canal. Diamond Head ist dort; Mrs. Polters Pension ist nicht besonders weit weg. Irgendwie konnte ich mir vorstellen, wie es hätte passieren können, dass er betrunken ins Wasser fällt, auf der Suche nach dem Grundstück von Diamond Head.«
    »Ich will ja nicht sagen, Sie irren sich, aber Mitch und ich haben dort an die vierzig Jahre gearbeitet. Er kennt sich dort aus.«
    »Sie haben recht. Ich bin mir sicher, dass Sie recht haben.« Ich unterließ es, ihn daran zu erinnern, dass es über ein Jahrzehnt her war, seit sie dort aufgehört hatten. Nach

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