Eine für vier 01 - Eine für vier
aufmachte, war sie auch schon auf den Beinen, schlurfte mit den Füßen und lief auf und ab.
»Okay«, sagte er, immer noch im Sitzen.
»Das wollte ich dir schon seit langem sagen... seit... seit dem Tag, als...« Wie formuliert man das nur, fragte sie sich verzweifelt. »Seit wir uns, äh, am Teich begegnet sind.«
Er nickte. Zuckte der Anflug eines Lächelns um seine Mundwinkel?
»Also. Na schön. Dieser Tag. Also gut.« Sie begann wieder auf und ab zu tigern. Die flinke Gewandtheit des Anwalts, mit der ihr Vater sich bewegte, gehörte ebenfalls zu den Dingen, die sie nicht von ihm geerbt hatte. »Es hat einige Verwirrung gegeben und vielleicht auch, du weißt schon, falsche Vorstellung von dem, was vorgefallen ist. Und das war vermutlich meine Schuld. Aber das, was da vor sich ging, hab ich erst gemerkt, als es bereits passiert war, und dann...« Ihr gingen die Worte aus. Sie schaute in die lodernden Flammen. Das Feuer der Verdammnis war kein sehr tröstlicher Anblick.
Kostos saß geduldig da.
Wenn Lena so weitschweifig wurde, baute sie darauf, dass ihr jemand ins Wort fiel und sie aus ihrem Elend erlöste, aber das machte Kostos nicht. Er wartete einfach ab.
Sie versuchte den Faden wieder zu finden, aber sie hatte vergessen, was der Faden war. »Nachdem es passiert war, war es zu spät, und alles war nur noch verworrener, und ich wollte ja darüber reden, aber ich hab einfach keine Möglichkeit dazu gefunden, weil ich zu feige war, sie dazu zu bringen, über die Dinge zu reden, von denen sie glaubten, dass sie passiert waren, und ihnen zu erklären, dass das, von dem sie glaubten, dass es passiert wäre, gar nicht wirklich passiert war, deshalb hab ich es nicht gemacht, obwohl ich es vorhatte und obwohl ich auch wusste, dass ich es hätte tun sollen.« Sie wünschte sich plötzlich sehnlichst, sie wäre in einer Fernsehserie, und jemand würde ihr eine runterhauen, wie man es in den Nachmittagsserien mit Leuten machte, die unsinniges Zeug daherredeten und immer weiter faselten.
Sie war sich jetzt ziemlich sicher, dass sie den Anflug eines Lächelns auf Kostos’ Gesicht sah. Das war kein gutes Zeichen, oder?
Mit dem Handrücken wischte sie sich die Schweißtropfen von der Oberlippe. Sie schaute an der J EANS hinunter, und als ihr wieder einfiel, dass das die J EANS war, versuchte sie sich vorzustellen, sie wäre Bridget.
»Ich will damit sagen, dass ich... dass ich einen Riesenfehler gemacht habe und dass dieser ganze verrückte Streit zwischen unseren Großvätern nur meine Schuld war und dass ich dich nicht hätte beschuldigen dürfen, du hättest mir hinterherspioniert. Jetzt weiß ich nämlich, dass das nicht stimmt.« So, das war schon besser. Ach. Etwas hatte sie noch vergessen. »Und es tut mir Leid«, platzte sie heraus. »Es tut mir sehr, sehr Leid.«
Er ließ ihr noch einen Augenblick Zeit, um sicherzugehen, dass sie fertig war. »Ich nehme deine Entschuldigung an«, sagte er und neigte dabei leicht den Kopf. Seine Manieren machten den Großmüttern von Oia alle Ehre.
Lena stieß hörbar die Luft aus. Gott sei Dank, der Teil mit der Entschuldigung war vorbei. Sie konnte es jetzt einfach dabei belassen und nach Hause gehen, solange ihr noch ein Funken Stolz geblieben war. Das war sehr verlockend. Himmel, war das verlockend.
»Da ist noch was«, sagte sie. Dass sie diese Worte tatsächlich über die Lippen gebracht hatte, beeindruckte sie und entsetzte sie zugleich.
»Was denn?«, fragte er. Klang seine Stimme jetzt weicher? Oder wünschte sie sich das nur?
Sie suchte nach guten, geeigneten Worten, die sie sagen konnte. Hilfe suchend schaute sie zur Decke empor.
»Möchtest du dich setzen?«, bot er ihr nochmals an.
»Ich glaub, das kann ich jetzt nicht«, gab sie ehrlich zurück und rang die Hände.
Dem Ausdruck seiner Augen war zu entnehmen, dass er das akzeptierte.
»Also, ich weiß, als ich hier angekommen bin, war ich anfangs nicht sehr freundlich.« Lena legte mit der zweiten Runde los. »Du warst nett zu mir, aber ich hab das nicht erwidert. Und du hast deshalb vermutlich gedacht, dass ich... dass ich nicht...« Lena lief in einem engen Kreis herum und kehrte dann zurück, stellte sich ihm gegenüber.
Große, runde Schweißflecken breiteten sich von ihren Achseln bis zur Taille aus. Schweißtropfen standen auf ihrer Oberlippe und flössen vom Haaransatz herab. Die Verbindung von extremer Hitze und extremer Nervosität bewirkte, dass ihre Haut rote Flecken bekam.
Sie hatte noch
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