Eine ganz andere Geschichte
und Katarina schienen jedenfalls jeweils die andere vorlassen zu wollen, vielleicht wollte keine von beiden die Erste sein, die dem Vorschlag zustimmte, die Tote aus dem Weg zu schaffen und sich somit auf den Weg der Lügen und Vertuschungen zu begeben. Zumindest bildete ich es mir kurz ein, dass sie beide dasaßen und mit einer Art weiblicher Empathie über einem derartigen Beschluss brüteten, doch als Katarina das Wort ergriff, war mir klar, dass ich damit falsch lag.
»Ich nehme an, ihr habt Recht«, sagte sie. »Und ich denke nicht daran, dagegen zu sprechen. Es wäre doch für uns alle die reine Katastrophe, wenn es herauskäme … und wir, ich meine, Henrik und ich, wir haben ja trotz allem noch zwei Wochen Urlaub vor uns.« Sie machte eine kurze Denkpause. »Es ist natürlich ein schreckliches Unglück, was da passiert ist, aber was uns betrifft, so können wir dem Mädchen das Leben nicht zurückgeben.«
»Ich bin der gleichen Meinung«, sagte Anna. »Könnten wir nicht versuchen, diesen blöden Motor wieder in Gang zu bringen und endlich an Land zu kommen?«
»Also – wie?«, fragte Gunnar eine halbe Stunde später. »Und wo?«
Sie hatten Zigaretten geraucht. Troaë war mit einem Badelaken zugedeckt worden. Anna hatte über Bord gepinkelt.
Noch anderes war geschehen. Erik und Henrik hatten gemeinsam versucht, den Motor wieder in Gang zu bekommen, aber ohne Erfolg. Katarina hatte eine Taschenlampe gefunden, die aber nach zirka einer Minute wieder erstarb, und wir hatten hin und her diskutiert, ob wir den Körper des Mädchens nicht einfach über Bord werfen sollten, und waren uns zum Schluss einig geworden, dass das keine gute Lösung war. Das Risiko, dass sie an Land gespült und schon am näch sten Tag entdeckt wurde, war zu groß, eine polizeiliche Untersuchung würde umgehend in Gang gesetzt, und so eine Entwicklung konnte sehr wohl ausarten und den Dingen die falsche Wendung geben. Besser, wenn das Mädchen nur als verschwunden galt, sehr viel besser. Ein paar Minuten lang wurde die Möglichkeit in Erwägung gezogen, ein Gewicht an ihren Körper zu binden, so dass sie sicher in der Tiefe bleiben würde, aber wir fanden ganz einfach keinen passenden Gegenstand an Bord der Arcadia und wenn doch, wäre es natürlich riskant gewesen bei dem Gedanken daran, dass der Besitzer feststellen könnte, dass etwas an der Ausrüstung fehlte.
Deshalb waren Gunnars Fragen berechtigt.
»Wie?«, wiederholte Erik. »Ja, ich weiß nicht. Aber ich nehme an, es wäre das Beste, sie irgendwo zu vergraben.«
»Mit den Händen?«, fragte Anna. »Guter Vorschlag.«
»Es muss sich doch in einem unserer Häuser ein Spaten finden?«, meinte Katarina.
»Wenn wir in der Nähe der Häuser an Land kommen, ja«, sagte Anna.
»Gibt es eine Alternative?«, fragte Gunnar.
»Was?«, fragte Anna.
»Dazu, sie zu vergraben«, sagte Gunnar. »Wenn wir uns nun des Körpers wirklich entledigen wollen.«
»Na, wir können ja wohl schlecht anfangen, sie zu zerstückeln«, sagte Anna. »Oder zu verbrennen. Ihr werdet sie schon eingraben müssen, das ist ja wohl klar.«
»Ihr?«, merkte Erik an.
»Ja, ich habe nicht die Absicht, das zu tun«, sagte Anna.
»Ich auch nicht«, stimmte Katarina zu.
»Das müsst ihr ja wohl machen«, sagte Anna. »Ihr Männer. Die ihr es nicht geschafft habt, sie zu retten.«
»Moment mal«, sagte Henrik.
»Was ist los?«, fragte Anna. »Bist du am Telefon?«
»Sei still, Anna«, sagte Gunnar. »Ich will dir nicht noch eine Ohrfeige geben müssen.«
»Du perverser Kerl«, sagte Anna.
»Was ich sagen wollte, ist: Ich habe einen Vorschlag«, sagte Henrik.
»Lass hören«, sagte Gunnar.
Henrik räusperte sich ein wenig gekünstelt. »Es ist nur so, dass ich finde, es wäre doch unnötig, wenn wir alle riskieren, erwischt zu werden. Es wäre besser, wenn es einer allein macht.«
Einige Sekunden Schweigen. »Ich weiß nicht so recht …«, begann Erik, entschied sich aber dann anders.
»Und ich finde, es ist ziemlich klar, wer es machen muss«, fuhr Henrik fort. Er hatte in den letzten Minuten eine Art neuer Autorität gewonnen. Wahrscheinlich parallel zum sinkenden Alkoholpegel. »Ziemlich klar«, wiederholte er.
»Ich weiß, was du meinst«, gelang es Katarina einzuwerfen. Jetzt waren sie plötzlich wieder Ehemann und Ehefrau, eine Andeutung genügte, damit sie einander verstanden. Henrik wandte sich mir zu.
»Du warst es doch, der so tollpatschig war«, sagte er. »Du warst es, der das Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher