Eine ganz andere Geschichte
über seinen Wortschatz konnte man nicht meckern. Er war klein von Wuchs, hatte eine Glatze, trug eine runde Brille ohne Fassung und erinnerte Barbarotti an einen Schauspieler, dessen Namen er jedoch vergessen hatte. Er begrüßte sie überschwänglich, bot Kaffee an und erklärte, dass die Kriminalabteilung der Polizeipräfektur in Quimper, deren Leiter er war, alles tun würde, was in ihrer Macht stünde, um den schwedischen Kollegen bei ihrer Arbeit beizustehen.
Aber er müsste über den Fall genauer ins Bild gesetzt werden. Er hatte beide Faxe gelesen wie auch Barbarottis und Backmans Zusammenfassung, hatte aber das Gefühl, mehr Fleisch zu brauchen. More meat on the bones, yes?
Tallin und Barbarotti halfen ihm dabei – ab und zu mit einem französischen Einwurf von Inspektorin Morelius – eine gute halbe Stunde lang; als sie fertig waren, nahm Leblanc seine Brille ab, putzte sie mit einem kleinen grünen Tüchlein, das er aus der Schreibtischschublade holte und erklärte, dass er etwas verblüfft sei.
»Dérouté. Betwixted, yes?«
»Verblüfft«, entschied Carina Morelius. »Er sagt, dass er ein wenig verblüfft ist.«
»Und wieso?«, fragte Tallin.
»Weil«, sagte Leblanc und kontrollierte die geputzte Brille, indem er sie gegen die Leuchtstoffröhre an der Decke hielt, »weil ich mich nicht an zwei verschwundene Personen aus dem Sommer 2002 erinnern kann.«
Es blieb still im Raum. Kommissar Tallin hob seine rechte Hand und ließ sie wieder sinken.
»Die muss es aber geben«, sagte Barbarotti.
Leblanc breitete die Arme in einer sehr französischen Geste aus.
»Ich verstehe ja, dass ihr das meint«, sagte er. »Aber ich habe die Sache in unserem Archiv kontrolliert, und es gibt ganz einfach keine derartige Anzeige.«
»Kein verschwundenes Mädchen mit einer verschwundenen Großmutter?«
»Nein.«
»Merkwürdig«, sagte Tallin.
»Vielleicht ja doch nicht«, warf Barbarotti ein.
»Wir hatten einen Fall mit ein paar holländischen Touristen, die in dem Sommer als vermisst gemeldet wurden, daran erinnere ich mich«, fuhr Leblanc fort. »Ein Junge und ein Mädchen, aber die sind später in der Gegend von Perpignan wieder aufgetaucht. Da war einiges an Drogen mit im Spiel, wenn ich mich nicht irre.«
»Es ist doch wohl nicht möglich, dass zwei Menschen verschwinden, ohne dass es gemeldet wird?«, fragte Tallin.
»Leider ist das nicht so unmöglich, wie man es sich wünschen würde«, erklärte Leblanc mit einem bedauernden Tonfall und schob seine Brille wieder an Ort und Stelle. »Sie können ja auch bei einer anderen Polizeidienststelle gemeldet worden sein. Aber wie dem auch sei – haben Sie den Eindruck, dass die Großmutter des Mädchens ein eigenes Haus in der Nähe von Mousterlin hatte?«
»Ja, sicher«, sagte Tallin.
»Ich bin mir da nicht so sicher«, wandte Barbarotti ein. »Ich glaube eher, dass es da noch andere Varianten geben kann.«
»Varianten?«, fragte Leblanc.
»Ja«, bestätigte Barbarotti. »Es ist nur das Mädchen, das von dem Haus erzählt, als sie sich das erste Mal begegnen. Und später wird immer wieder angedeutet, dass man dem Mädchen nicht so recht glauben darf. Ich habe die Aufzeichnungen gestern Abend noch einmal durchgelesen, und …«
»Ich weiß nicht so recht, ob ich dem zustimmen kann«, unterbrach Tallin, aber Leblanc ignorierte ihn.
»Kann sie ein Haus gemietet haben?«, fragte er. »Wenn sie hier auch auf Urlaub waren, zum Beispiel?«
»Gut möglich«, sagte Barbarotti.
»Aber der Name der Großmutter wird nie genannt?«
»Nein.«
»Und auch nicht, wo sie genau wohnt?«
»Nein.«
Barbarotti warf Tallin einen Blick zu, und dieser nickte bestätigend. »Was das Haus betrifft, so ist es tatsächlich unklar«, räumte er ein. »Vielleicht habe ich einfach vorausgesetzt, dass die Großmutter und das Mädchen in einem Haus in der Nähe von Fouesnant wohnten, als ich die Aufzeichnungen gelesen habe, und dass der Großmutter das Haus gehörte, aber es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Inspektor Barbarotti Recht hat.«
»An einer Stelle schreibt er, dass er den Verdacht hat, das Mädchen könnte eine Mythomanin sein«, bemerkte Barbarotti. »Als ich die Aufzeichnungen zum ersten Mal gelesen habe, glaubte ich eine Weile, es gäbe vielleicht gar keine Großmutter, das wäre etwas, was das Mädchen sich nur ausgedacht hat. Aber als sie später auftauchte, verschwand dieser Verdacht natürlich.«
»Tauchte auf und wurde ermordet«, sagte
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