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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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mich gern ein paar Wochen um ihn kümmern, aber bis dahin weiß ich nicht so recht, was ich über ihn sagen soll. Er ist für mich genauso ein Rätsel, wie er es wahrscheinlich für euch ist.«
    Die Besprechung dauerte noch eine gute halbe Stunde länger, aber Gunnar Barbarotti hatte nicht das Gefühl, dass noch etwas Neues dabei herauskam. Nichts, was nicht bereits gesagt worden wäre, in irgendeiner Form, und wahrscheinlich waren es die Worte der Klasson, die den Charakter des Täters am besten beschrieben.
    Ein Rätsel.
    Etwas später am Nachmittag wurden zwei Mails an die französische Polizei geschickt. Zunächst eine kürzere auf Französisch – es stellte sich heraus, dass Tallin nicht ganz unbedarft in dieser Sprache war – und später eine längere auf Englisch. Gleichzeitig erarbeiteten Barbarotti und Backman eine sechs Seiten lange Zusammenfassung des Falles auf Englisch, einschließlich einer Zusammenfassung der Mousterlin-Aufzeichnungen, diese wurden gegen halb fünf an das Zentralkriminalamt für eine Sprachüberprüfung gemailt, und um fünf Uhr war es Zeit für die Pressekonferenz und die Veröffentlichung des Fotos des sechsten Mannes.
    Gunnar Barbarotti nahm nicht an der Konferenz teil, aber er wus ste, dass man betonen würde, dass es sich hier nicht um die Suche nach dem Mörder handelte. Nur dass die Polizei äußerst interessiert daran war, mit dem Mann auf dem Foto in Kontakt zu treten.
    Es war im Sommer 2002 in der Bretagne in Frankreich gemacht worden, und die Informationen, die er möglicherweise geben konnte, waren von grundlegender Bedeutung für die Ermittlungen im Fall der fünf Morde, die sich im letzten Monat in Schweden ereignet hatten – mit Kymlinge als eine Art finsterem Mittelpunkt.
    So sollte es präsentiert werden, und dann hatten die Reporter, Leser, Zuhörer und Zuschauer freie Hand, die Botschaft nach bestem Wissen und Gewissen zu deuten.
    Frommer Wunsch, dachte Gunnar Barbarotti, als er sein Crescent aus dem Fahrradständer zog und nach Hause strampelte. Was ihn selbst betraf, hegte er keine Illusionen, und es fiel ihm nicht schwer, die Schlagzeilen des morgigen Tages vor seinem inneren Auge zu sehen.

DER MÖRDER?
    Und dann das Foto von Gunnar Öhrnberg, Henrik Malmgren und dem sechsten Mann an dem Restauranttisch.
    Die beiden Erstgenannten ermordet. Vielleicht von dem Dritten, dessen Gesicht mit einem deutlichen weißen Kreis markiert sein würde.
    Kein Heiligenschein. Ganz im Gegenteil.
    Wenn ich nach Hause komme, muss ich Marianne und Sara anrufen, beschloss Gunnar Barbarotti. Ich muss aufhören, über das hier nachzudenken. Das aus dem Schädel kriegen, sonst platzt der noch.
    Doch bevor er die eine oder die andere anrufen konnte, kam ein Anruf von der dritten Frau in seinem Leben.
    Helena. Seine ehemalige Ehefrau. Er brauchte den Bruchteil einer Sekunde, bevor ihm klar war, dass sie tatsächlich noch existierte, und er fragte sich, woran das wohl lag.
    »Hallo«, sagte er. »Wie nett.«
    »Ich hoffe, das meinst du wirklich«, sagte sie. »Denn ich muss einmal ernsthafter mit dir reden. Aber nur, wenn du Zeit hast.«
    »Ich habe Zeit«, versicherte er ihr und ließ sich aufs Sofa sinken. Er erinnerte sich an ihr Gespräch letzte Woche nach dem Zwischenfall mit Göran Persson und nahm an, dass es immer noch darum ging.
    Doch dem war nicht so.
    »Ulrich hat ein phantastisches Angebot gekriegt.«
    Ach ja?, dachte er. Und wer zum Teufel ist Ulrich?
    Er fragte es nicht, und das war wohl auch gut so, denn Ulrich war natürlich Helenas neuer Mann, der momentane Vater seiner Söhne. Wenn er genauer darüber nachdachte, wusste er natürlich, dass er so hieß – nicht Torben, wie er gedacht hatte –, es war ihm nur gelungen, das zu verdrängen.
    »Sie wollen, dass er sich um ein ganz neues Yogazentrum in Budapest kümmert. Er kriegt einen Zwei-Jahres-Vertrag und eine Wohnung mitten in der Stadt. Das passt super, wir werden nie wieder so eine Chance bekommen, und wir müssen uns innerhalb einer Woche entscheiden.«
    Wovon redet sie?, fragte sich Barbarotti. »Warum passt das super?«, fragte er.
    »Weil Ulrich doch Ungarisch spricht, natürlich.«
    »Und warum um alles in der Welt spricht er Ungarisch?«
    »Weil er Ungar ist, du Dummkopf.«
    »Das hast du mir nie erzählt.«
    »Natürlich habe ich das.«
    »Ich war mir sicher, dass er Däne ist. Wie kann denn ein Ungar Ulrich heißen?«
    »Seine Mutter ist Dänin. Aber er ist in Debreczin geboren und hat dort bis zu seinem

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