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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Tallin.
    »Das ist eine schreckliche Geschichte«, sagte Inspektorin Morelius auf Französisch.
    »Gut«, sagte Leblanc, »ich glaube, so langsam bekomme ich ein Bild von allem. Wenn eine Frau mit ihrem Enkelkind aus einem Haus in Fouesnant verschwindet, dann muss uns das natürlich früher oder später zu Ohren kommen. Aber wenn wir jetzt einmal annehmen, dass es nicht die Großmutter ist, die das Mädchen sich ausgedacht hat, sondern nur das Haus, wo stehen wir dann?«
    Barbarotti kratzte sich am Kopf und wechselte erneut einen leeren Blick mit Tallin. »Ja, wo stehen wir dann?«, wiederholte er. »Es könnte sich sogar so verhalten, dass sie gar nicht in einem Haus wohnten, sondern …?«
    »Auf einem Campingplatz?«, ergänzte Tallin. »Davon gibt es hier eine ganze Menge, oder?«
    »Mais oui«, erklärte Leblanc enthusiastisch. »Zwischen Bénodet und Beg-Meil, in der Gegend von Mousterlin also, da gibt es mindestens zwanzig. Und genau zu der Zeit, von Mitte Juli bis Ende August, haben wir unglaublich viele Touristen hier. Tausende von Campern unter anderem. Die meisten natürlich Franzosen, aber auch aus vielen anderen Ländern. England, Holland und Deutschland. Einige aus Skandinavien, ich hoffe wirklich, ihr habt ein wenig Zeit, um unsere schöne Natur zu sehen und nicht nur zu arbeiten. Oh la la, le travail, le travail, toujours du travail … so ist es bei der französischen Polizei, ich vermute, ihr lebt unter dem gleichen Fluch in eurem Land?«
    »Das kommt schon vor«, sagte Inspektorin Morelius auf Französisch. »Ça arrive.«
    »Wir bleiben bis Freitag«, erklärte Tallin. »Etwas werden wir wohl sehen können. Aber wenn wir jetzt mit dem Gedanken spielen, das Mädchen könnte mit seiner Großmutter auf einem Campingplatz gewohnt haben … was ändert das? Ihr Verschwinden würde doch in jedem Fall gemeldet werden?«
    Leblanc drehte die Handflächen zur Decke. »Wahrscheinlich schon. Irgendwo im Land würde sicher eine Vermisstenanzeige aufgegeben werden. Aber aus einem Haus zu verschwinden, ist immer noch etwas anderes als aus einem Zelt.«
    Barbarotti dachte einen Moment lang über diese finstere Wahrheit nach. »Kann es sein, dass sie nicht einmal auf irgendeinem Campingplatz angemeldet waren?«, fragte er dann. »Obwohl sie dort wohnten, meine ich.«
    »Ich weiß nicht.« Leblanc zuckte mit den Schultern. »Natürlich ist gedacht, dass alle, die zelten, ihre Identität an der Rezeption angeben, wenn sie ihr Zelt aufschlagen oder ihren Caravan parken, aber … ja, es ist natürlich nicht auszuschließen, dass es damit nicht immer so genau genommen wird. Es gibt Bauern, die während der Hauptsaison ein paar Felder zur Verfügung stellen. Das ist leicht verdientes Geld, und es ist gar nicht möglich, all solche Aktivitäten zu kontrollieren. Vielleicht nicht einmal wünschenswert, denn wer kann jemandem verbieten, sein Zelt auf einem Acker aufzubauen?«
    Barbarotti nickte. »Wenn wir aber nun annehmen, dass es so gelau fen ist«, sagte er, »dann müssen sie ja dennoch ihre Sachen zurückge
    lassen haben. Zelt, Kleidung und so, oder?«
    Leblanc überlegte eine Weile.
    »Stimmt«, sagte er dann. »Wahrscheinlich hätte uns das jemand auf jeden Fall mitgeteilt. Aber ich kann wie gesagt nicht feststellen, dass das jemand hat. Bedaure, tut mir wirklich leid.«
    »Ein zurückgelassenes Zelt auf einem Acker ist vielleicht keine große Sache für die Polizei«, warf Morelius ein.
    »Nein, keine große«, bestätigte Leblanc und lachte kurz auf.
    »Aber wenn die Hypothese stimmt«, sagte Barbarotti mit einem Seufzer, »dann bedeutet das doch eigentlich nur, dass der Fall bei irgendeiner anderen Polizeipräfektur hier im Land liegt. Oder?«
    »Auf jeden Fall, ja«, nickte Leblanc.
    »Wo?«, fragte Tallin.
    Leblanc strich sich mit der Hand über seinen kahlen Kopf. »Das beruht ganz darauf, wer sie vermisst hat«, erklärte er geduldig. »Und wo sie vermisst wurden, natürlich. Wenn beispielsweise nicht bekannt war, wo das Mädchen mit seiner Großmutter Urlaub machen wollte … ja, dann sind sie wahrscheinlich in ihrer Heimatstadt als vermisst gemeldet worden. Paris, oder wo war das?«
    »Paris«, bestätigte Barbarotti. »Zumindest wenn wir dem Mädchen glauben. Aber wie sind sie in dem Fall hergekommen? Wartet mal. Ist nicht vielleicht ein verlassenes Auto in dem Sommer in der Nähe von Mousterlin gefunden worden? Das ist nach fünf Jahren natürlich ziemlich viel verlangt, aber …?«
    Leblanc lachte auf,

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