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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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ein Pilot Kaliber 0,7, genau wie man schon vermutet hatte. Was die Frage betraf, wo die Briefe aufgegeben worden waren, so war es nicht gerade unwahrscheinlich, dass es sich um Göteborg handelte. Beide Male.
    »Nicht gerade unwahrscheinlich?«, wunderte Astor Nilsson sich.
    »Genau«, nickte Carlsson. »Linköping wird sich zu dieser Frage auch noch äußern.«
    »Aha«, stellte Barbarotti fest. »Sonst noch etwas von den Technikern?«
    Das gab es nicht. Stattdessen ging man zu dem über, was die Gespräche mit Erik Bergmans Bekannten, Verwandten und Nachbarn gebracht hatten. Es waren sechsunddreißig sogenannte Gespräche ge führt worden, und um alle in eine einigermaßen begreifliche Übersicht zu bringen, hatte Inspektor Gerald Borgsen, alias Sorgsen, sich die Mühe gemacht, jedes Band abzuhören und die Protokolle noch einmal zu lesen, die geschrieben worden waren. Wie er das geschafft hatte, war ein Rätsel, aber um Sorgsen gab es das Gerücht, dass er alles in allem sowieso ein einziges Rätsel war. Zurückhaltend und wortkarg und ein wenig schwer zugänglich und – wie gesagt – ein wenig ›sorgsen‹, schwermütig.
    Das brauchte fast eine Stunde, und das Bild von Erik Bergman wurde möglicherweise ein wenig deutlicher. Selbst in seinem engsten Freundeskreis – drei, vier andere Junggesellen, mit denen er gern in die Kneipe ging – wurde bestätigt, dass schwer an ihn heranzukommen war. In gewisser Weise ein Einzelgänger, war bemerkt worden, obwohl er doch einen ziemlich großen Teil seines Lebens in öffentlichen Lokalen verbracht hatte. Nicht einmal, wenn er betrunken war, was ab und zu vorkam, hatte er etwas von sich preisgegeben. Um das zu verdeutlichen, zitierte Sorgsen einen gewissen Rasmus Palmgren, der Bergman bereits seit der ersten Klasse gekannt hatte: »Man wusste irgendwie nie so recht, woran man bei ihm war. Man hatte fast immer das Gefühl, als wäre er lieber woanders. Man wusste nie genau, was er dachte.« Erik Bergman war nicht geizig gewesen, und wenn Sorgsen eine These wagen sollte, dann war es wohl gerade diese Eigenschaft, die ihn so problemlos im gesellschaftlichen Leben verkehren ließ. Er hatte immer genügend Geld und lud oft andere ein, das bezeugten viele. Was denkbare Feinde betraf – Leute, die auf die Idee kommen konnten, fünfmal mit einem Messer auf ihn einzustechen –, so hatte niemand auch nur den kleinsten Tipp zu präsentieren. Erik war nie dafür bekannt gewesen, Streit zu suchen; wenn es zu einem Handgemenge kam oder die Stimmen lauter wurden, zog er sich immer lieber zurück. Ein besonderer Frauenheld war er wohl auch nicht gewesen. Er war nicht interessiert an Frauen, wie Palmgren erklärt hatte, und die Frauen waren nicht interessiert an ihm. War er homosexuell gewesen? Mehreren Interviewten war diese Frage gestellt worden, aber keiner hatte eindeutig mit Ja geantwortet. Andererseits hatte es auch niemand für hun dertprozentig unmöglich gehalten. Woraus zu folgern war, dass Erik Bergman ziemlich diskret mit seinem Sexualleben umgegangen war – wenn er denn eines gehabt hatte –, genauso diskret wie mit allem anderen.
    »Der Mann ohne Eigenschaften?«, fragte Astor Nilsson.
    »In gewisser Weise schon«, stimmte Sorgsen zu, und Gunnar Barbarotti hätte schwören können, dass eine leichte Röte das Gesicht des Inspektors überzog. Das war eine Bezeichnung, die in vielerlei Hinsicht auch auf ihn selbst hätte zutreffen können. Und offensichtlich bemerkte er das auch.
    Die Frau, mit der Erik Bergman vor zehn Jahren einige Monate lang zusammengelebt hatte, hatte man nicht erreicht, erklärte Sorgsen. Ihr Name war Ulrika Sigridsdotter, und einige der Befragten wussten zu berichten, dass sie, kurz nachdem sie und Erik sich getrennt hatten, ins Ausland gezogen war.
    Sorgsen fuhr mit seiner Zusammenfassung noch weitere zwanzig Minuten fort, aber währenddessen begann Gunnar Barbarotti sein Konzentrationsvermögen zu verlieren.
    Wenn der Mörder ihn nun doch zufällig ausgesucht hat, dachte er.
    Wozu dient es dann, dass wir hier sitzen und den Toten durchlöchern?
    Wenn es gar keine logische Verknüpfung zwischen dem Mörder und dem Opfer gab?
    Wenn es ebenso gut jemand anderes hätte treffen können?
    Allein der Gedanke an eine derartige Beliebigkeit war irgendwie unbehaglich, dachte Barbarotti, es war etwas, das er aus irgendeinem Grund nur schwer ertragen konnte. Weil diese Lösung … ja, was enthielt? Eine unwiderrufliche Wahrheit über das Leben und dessen

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