Eine ganz andere Geschichte
etwas Hartem, Scharfem, ein heftiger Schmerz schoss mir durch den Körper, und in den ersten Sekunden im Wasser spürte ich nichts anderes als diese flammenden Stöße. Ich schluckte Wasser, es brannte in der Kehle, aber ich riss mich zusammen und fing an, herumzuschwimmen und nach dem Mädchen zu suchen. Ich hörte Anna und Katarina vom Boot her schreien, wahrscheinlich zeigten und gestikulierten sie dabei, aber ich schoss über einen Wellenkamm und verlor den Kontakt zu ihnen. Dann erblickte ich das Mädchen für einen kurzen Moment, ihren Kopf und einen Arm, die über der grauschwarzen Wasseroberfläche für die Bruchteile einer Sekunde sichtbar wurden. Anschließend verschwand sie. Ich tauchte und versuchte etwas unter Wasser zu sehen, aber es brannte in den Augen, und als ich sie dennoch für einen Moment offen halten konnte, gelang es mir mit Mühe und Not, meine eigenen Hände zu erkennen. Ich kam wieder an die Oberfläche, schluckte erneut Wasser, hörte Anna, Katarina und Gunnar weitere Anweisungen schreien – offenbar hatten sie ganz in meiner Nähe einen Zipfel des Mädchens gesehen. Ich machte ein paar Schwimmzüge, tauchte erneut, versuchte wieder etwas in dieser trüben Dunkelheit zu entdecken, doch es war sinnlos. In dem Moment, als ich den Kopf wieder über Wasser hatte und atmen konnte, sah ich, dass Gunnar hereinsprang. Wir starrten einander an, Gunnar fluchte, ich erinnere mich an den Schmerz in meinem Fuß, Gunnar tauchte, ich spürte, dass ich fast keine Kräfte mehr hatte. Ich hatte die größte Mühe, mich über Wasser zu halten.
Ich weiß nicht, wie lange wir in den Wellen kämpften. Vermutlich nur einige Minuten, aber sie erschienen wie Stunden. Ich hatte nicht nur die Hoffnung aufgegeben, das Mädchen lebend zu finden, sondern vermutlich auch selbst lebend davonzukommen, als ich plötzlich Gunnar rufen hörte: »Ich habe sie!« Er befand sich nur ein paar Meter von mir entfernt, das Boot war noch ein Stück weiter weg, es schoss gerade über einen Wellenkamm und verschwand; es gelang mir, mich zu Gunnar hinzukämpfen, sein Gesicht sah wild und wahnsinnig aus, sein Mund war aufgerissen, die Augen starr. »Ich habe sie!«, keuchte er. »Hilf doch, verdammt noch mal!«
Er bekam den Kopf des Mädchens über die Wasseroberfläche, wobei er gleichzeitig selbst unter Wasser verschwand, ich sah weder ihre Augen noch ihren Mund, nur das schwarze Haar, das sich wie ein gewaltiges Algenbüschel über ihr Gesicht ausbreitete. Es gelang mir, ei nen Arm zu packen, und mit vereinten Kräften schafften wir es, sie in Richtung Boot zu bugsieren. Bei jedem Schwimmzug dachte und fühlte ich, dass es mein letzter sein würde, es hat keinen Sinn, jetzt ist es zu Ende, ich schaffe es nicht mehr.
Doch wir schafften es. Wir brauchten sicher zehn Minuten, sie an Bord zu ziehen. Alle schrieen und fluchten. Gunnar riss sich die Wange auf, als er von der Leiter getroffen wurde, Anna fiel ins Wasser, konnte aber aus eigener Kraft wieder an Bord kommen, die ganze Zeit peitschte der Regen, die Wellen warfen das Boot und uns wie Treibholz hin und her, und wie es uns eigentlich gelang, den leblosen Körper zu bergen, das kann ich nicht im Einzelnen sagen. Das geht über meinen Verstand und jede Logik. Ist nicht zu fassen.
Als wir sie endlich auf dem Boden der Plicht abgelegt hatten, ging Katarina auf die Knie und begann mit künstlicher Beatmung. Blies ihr in den Mund, abwechselnd mit dem Druck der Hände auf den Brustkorb, mir fiel ein, dass sie Krankenschwester war, und keiner von uns machte Anstalten, ihr helfen zu wollen, stattdessen drückten wir uns unter dem Verdeck zusammen, und plötzlich herrschte wieder Stille. Ein Schweigen, das in gewisser Weise die Geräusche des Meeres und des Regens übertönte, und bereits nach wenigen Minuten merkten wir, dass die Wellen sich legten, der Regen, der die ganze Zeit niedergeprasselt war, ging in ein Flüstern auf dem Stoff des Verdecks über, und es ist möglich, dass ich für ein paar Sekunden das Bewusstsein verlor.
Nach einigen Minuten richtete Katarina Malmgren sich auf. Starrte uns an, ließ einen gebrochenen Blick von einem zum anderen wandern, während ihre Hände und Schultern vor Erschöpfung zitterten und die Tränen ihr übers Gesicht liefen.
»Sie ist tot«, sagte sie. »Begreift ihr nicht, dass das Mädchen tot ist?«
Kommentar, August 2007
Kein Kommentar, genauso ist es gewesen.
8. – 13. August 2007
12
K riminalinspektor Gunnar Barbarotti saß
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