Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
Vom Netzwerk:
und wahrscheinlich unmöglich, ausfindig zu machen. Der Stempel war dieses Mal deutlicher, offenbar war der Brief in Boras aufgegeben worden.
    Die Mitteilung war noch kürzer als sonst.
    NUMMER DREI WIRD HANS ANDERSSON SEIN.

    Es waren neunundzwanzig Personen mit dem Namen Hans Andersson in der Gemeinde von Kymlinge gemeldet. Einer von ihnen wohnte in dem Haus, vor dem Gunnar Barbarotti momentan in seinem Auto saß und das er bewachte. Das war die Strategie, die man in aller Eile – und bis auf weiteres – beschlossen hatte. Man wollte alle neunundzwanzig darüber informieren, dass es eine Art Drohung gegen sie gab, oder besser gesagt, gegen eine Person mit Namen Hans Andersson, und dass man die Absicht hegte, zunächst einmal eine gewisse Überwachung aufrechtzuerhalten. Im Laufe des Nachmittags hatte man siebenundzwanzig von den neunundzwanzig erwischt, sechs waren verreist, hatten aber versprochen, sich bei der Polizei zu melden, sobald sie zurück waren.
    Von den beiden, die man nicht gefunden hatte, befand sich der eine entweder in Guatemala oder in Costa Rica, von dem anderen hieß es, dass er sich wohl in der Stadt aufhielt, aber dafür bekannt war, nicht einfach aufzuspüren zu sein. Er war Poet und Maler und ein einsamer Wolf, hatte kein Telefon, und in der regionalen Zeitung hatte vor ungefähr einem Monat gestanden, dass er zu seinem fünfundachtzigsten Geburtstag auf keinen Fall irgendwelche Ehrungen erhalten wolle.
    So sah es momentan aus. Der Hans Andersson, den Gunnar Barbarotti unter einer Art Aufsicht hatte, wohnte in der Framstagsgatan 4 im Vorort Norrby zusammen mit Ehefrau und drei Kindern. Er war 44 Jahre alt und Oberarzt für Anästhesie im Krankenhaus. Sämtliche Familienmitglieder befanden sich an diesem Abend zu Hause, und dass irgendein Mörder vorhaben könnte, in das gut beleuchtete Haus einzudringen, erschien Gunnar Barbarotti nicht besonders wahrscheinlich. Sollte es dennoch geschehen, würde es wohl bedeuten, dass man es mit einem bis zur Dummheit waghalsigen Typen zu tun hatte – oder mit einem Täter, der alles daran setzte, gefasst zu werden –, und so hatte es bisher nicht ausgesehen. Ganz im Gegenteil.
    Barbarotti schaute auf die Uhr. Es war Viertel vor neun. Noch fünfundsiebzig Minuten bis zur Ablösung. Er spuckte sein Kaugummi durchs Seitenfenster und schenkte sich stattdessen Kaffee aus der Thermoskanne in seinen Becher ein.
    Wer bist du?, dachte er zum hundertsten Mal, seit er den Brief gelesen hatte.
    Welches Motiv steckt hinter deinen Schandtaten, und warum schreibst du ausgerechnet mir?
    Gute Fragen. Das Dumme dabei war, dass er bei keiner auch nur in die Nähe einer Antwort kam.
    Inspektorin Backman rief ihn an, gerade als er aus Norrby herausfuhr und sich überlegt hatte, an der Tankstelle am Sportplatz zwei gegrillte Würstchen mit Brot zu kaufen.
    »Ich habe etwas, das solltest du dir mal angucken«, sagte sie.
    »Jetzt?«, fragte Gunnar Barbarotti. »Es ist fast halb elf.«
    »Jetzt«, bestätigte Eva Backman.
    »Äh … ich bin ein bisschen hungrig. Heißt das, dass du immer noch auf dem Revier bist?«
    »Richtig geraten«, sagte Eva Backman. »Ich habe noch eine halbe Pizza von heute Nachmittag. Die kannst du kriegen, sie liegt hier auf dem Schreibtisch.«
    »Danke«, sagte Barbarotti. »Du bist unwiderstehlich. Aber was soll ich denn angucken?«
    »Ein Foto.«
    »Ein Foto?«
    »Ja. Du bist in fünf Minuten hier, ja?«
    »Und was ist drauf?«
    »Was?«
    »Was ist auf dem Foto drauf?«
    »Entschuldige, ich bin ein bisschen müde. Nun, das sollst ja du gerade sagen, wenn du hergekommen bist.«
    »All right«, seufzte Gunnar Barbarotti. »Ich komme. Aber ich verstehe nicht, wovon du redest. Kannst du die Pizza für ein paar Minuten in die Mikrowelle schieben?«
    »Es ist zu weit bis zur Mikrowelle«, erklärte Inspektorin Backman. »Aber ich lege sie solange auf die Heizung.«
    »Danke«, sagte Gunnar Barbarotti.
    »Na, was sagst du?«
    Er starrte auf das Bild. Es war ein ganz gewöhnliches Farbfoto, zehn mal fünfzehn Zentimeter, und es zeigte zwei Menschen, die auf einer Bank saßen. Einen Mann und eine Frau. Etwas unscharf, es schien Abend oder später Nachmittag zu sein, aber keine Sonne.
    Beide waren sommerlich gekleidet. Sie saßen ungefähr einen halben Meter voneinander entfernt. Der Mann trug ein kurzärmliges, dunkelblaues Hemd, eine helle Baumwollhose und Sandalen, die Frau ein beigefarbenes, dünnes Kleid ohne Ärmel. Sie war barfuß, aber neben einem

Weitere Kostenlose Bücher