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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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dicke Nägel in den Schädel. Alle sind besoffen, dachte ich. Wir sind vier besoffene Schweden, die ohne Boot auf einer öden Insel festsitzen. Wir haben ein zwölfjähriges französisches Mädchen gekidnappt und weiß der Teufel, was sie während des Spaziergangs gemacht haben.
    »Wir warten noch eine Stunde«, entschied Katarina Malmgren. »Es gibt keinen Grund, so viel Aufregung zu verursachen.«
    »Ich war dagegen, dass sie das Boot nehmen«, sagte Henrik.
    »Halt die Schnauze, Henrik«, sagte Katarina. »Genau diese Art von Kommentar brauchen wir im Augenblick nicht.«
    »Du warst diejenige, die das Mädchen mitgeschleppt hat«, sagte Henrik. »Aber das willst du sicher auch nicht hören? Verdammter Mist, den du uns da eingebrockt hast.«
    Katarina gab keine Antwort.
    »Auf jeden Fall haben wir noch einen halben Liter Calvados«, sagte Erik.
    »Ich meine ja nur, dass das so verdammt verantwortungslos ist«, sagte Henrik und zündete sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an.
    Das Mädchen flüsterte Katarina etwas zu. Die beiden standen auf. »Sie muss sich übergeben«, erklärte Katarina in anklagendem Ton.
    »Dann soll sie sich übergeben«, sagte Erik.
    Katarina und Troaë gingen zu den Bäumen. Ich drehte den Kopf und sah, wie das Mädchen auf die Knie ging und würgte, im gleichen Moment spürte ich den ersten Regentropfen auf meinem Handrükken. Erik reichte Henrik die Flasche, woraufhin dieser einen großen Schluck nahm.
    Wir versuchten einen primitiven Schutz gegen den Regen herzustellen. Spannten ein paar Handtücher gegen den Wind und den Regen auf, aber es funktionierte nicht recht. Henrik war deutlich betrunken, er lief die meiste Zeit herum und fluchte vor sich hin. Katarina und Troaë saßen beieinander, dicht an dicht, um sich warm zu halten; nachdem sich das Mädchen übergeben hatte, hatte sie kaum mehr ein Wort gesagt, und es war nur zu deutlich, dass es ihr nicht gut ging. Erik und ich standen abwechselnd unten am Ufer und spähten vergeblich in Richtung Les Bluinieres. Wir sprachen nicht viel miteinander. Um acht Uhr teilten wir uns die letzten Tropfen Calvados, Katarina Malmgren verzichtete, das Mädchen wollte auch nichts haben, obwohl sie fror, dass sie mit den Zähnen klapperte. Wir diskutieren auch die Möglichkeit, ein Feuer zu machen. Henrik lachte darüber. »Verdammte Scheiße, das hier ist der nasseste Platz auf der ganzen Welt«, sagte er. »Und das ist das größte Fiasko, das ich je erlebt habe.«
    »Halt die Klappe«, sagte Erik. »Dein kindisches Gejammer nützt uns jedenfalls nichts.«
    »Ich halte gern die Klappe«, erklärte Henrik. »Sag Bescheid, wenn du das mit dem Feuer geschafft hast.«
    Ich sah, wie Erik die Fäuste ballte, und womöglich wäre es zum offenen Streit gekommen, wenn nicht Katarina Malmgren im gleichen Moment gerufen hätte.
    »Guckt mal! Das ist doch ein Boot, oder?«
    Wir starrten alle fünf auf die Wellen, und bald konnten wir erkennen, dass tatsächlich ein Boot auf dem Weg zu uns war.
    »Sind sie es?«, wollte Henrik wissen.
    »Woher soll ich das denn wissen?«, erwiderte Katarina.
    »Natürlich sind sie es«, erklärte Erik. »Welche anderen Idioten würden sich denn sonst bei dem Wetter rauswagen?«
    »Das ist aber wirklich in letzter Sekunde«, sagte Henrik.
    »Kannst du so gut sein und nicht so viel reden, sondern dich lieber nützlich machen?«, bat Katarina.
    »Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«, gab Henrik zurück. »Dir den Rücken eincremen?«
    Es waren tatsächlich Gunnar und Anna, die mit dem Boot kamen. Sie kämpften sich durch die Wellen an Land, und eine mühsame Viertelstunde später war es uns allen gelungen, an Bord zu gelangen. Was bei der rauen See nicht so einfach war. Erik verletzte sich am Ellbogen, und das Mädchen schluchzte lauthals, während sie sich die kurze Leiter hochmühte und versuchte, die Wellen zu parieren.
    »Mit dem Motor stimmt was nicht«, sagte Gunnar. »Wir haben zwei Stunden daran gearbeitet, bis wir ihn endlich zum Laufen gebracht haben.«
    »Hoffentlich hattet ihr einen schönen Ausflug«, sagte Henrik.
    Mir war klar, dass Henrik bald das bekommen würde, was er verdiente, wenn er nicht endlich so schlau war, den Mund zu halten. »Setzt euch runter in die Kajüte«, sagte Gunnar. »Ich friere wie der Arsch vom Eisbär, aber ich denke, es ist das Sinnvollste, wenn ich mich um die Heimfahrt kümmere.«
    Ich fand das einen richtig schlechten Vergleich, sagte aber lieber nichts.
    »Gebt jedenfalls

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