Eine ganz andere Geschichte
Müdigkeit und Missmut gefüllt.
Und mit mehr Arbeit.
So langsam, nach diesen Wanderungen im Sumpf des Selbstmitleids, hatten sich seine Gedanken unausweichlich zurück auf die Ermittlungen zu bewegt. Auch gut, dachte Gunnar Barbarotti. Schließlich war das das Einzige, was in seinem Leben momentan stattfand.
Was stattgefunden hatte, seit er in der letzten Woche nach Kymlinge zurückgekommen war, genau genommen. Es war jetzt der achte Arbeitstag in Folge. Er wusste nicht mehr über den briefeschreibenden Mörder, als er zu dem Zeitpunkt gewusst hatte, als er die Gotlandfähre verlassen hatte.
Nicht einen verdammten Deut mehr. Wenn man in einer Wurstfabrik arbeitete, konnte man sich nach einer Woche wahrscheinlich immerhin rühmen, das eine oder andere Würstchen produziert zu haben, dachte Inspektor Barbarotti. Was er selbst in den letzten siebzig bis achtzig Arbeitsstunden zu Wege gebracht hatte, das konnte man sich wirklich fragen. Und er war damit nicht allein. Mindestens zehn Kol legen hatten ebenso viel gearbeitet wie er und hatten ebenso wenig zu präsentieren, so war es nun einmal.
Der Mörder dagegen stand allein. Man konnte von ihm sagen, was man wollte, zumindest hielt er die Polizei auf Trab.
Auch wenn einige von ihnen keine Lust mehr hatten, weiter zu traben.
Nun ja.
Die Leitung der Ermittlungen hatte am Montag ein neues Gesicht bekommen, genau wie Asunander prophezeit hatte. Außer Astor Nils-son waren jetzt noch zwei Herren vom Zentralkriminalamt zur Stelle. Ein Hauptkommissar Jonnerblad und ein Kommissar Tallin. Gunnar Barbarotti hatte sich von keinem von beiden bisher eine richtige Meinung bilden können, ging aber davon aus, dass es ordentliche Kriminalpolizisten waren. Sie waren zumindest nicht wie ein paar lautstarke Besserwisser hereingepoltert, und persönlich war er, wie schon gesagt, dankbar, je weniger Verantwortung er selbst übernehmen musste. Man war momentan zu sechst in der sogenannten Leitungsgruppe, außer den Zugereisten waren da er selbst, Eva Backman und Gerald Borgsen, allgemein Sorgsen genannt aufgrund seiner düsteren, sorgenvollen Ausstrahlung. Kommissar Asunander gehörte wohl auch dazu, hielt sich aber wie üblich im Hintergrund, lutschte an seinen Zähnen, zwinkerte und wartete auf die Pension. Profiler Lillieskog kam und ging – aber da hinsichtlich des Täters in den letzten Tagen eigentlich nichts Neues bekannt geworden war, hatte er Probleme, das Profil deutlicher herauszuarbeiten. Die Tatsache, dass der Mörder sich bei beiden Morden unterschiedlicher Methoden bedient hatte, wurde als ungewöhnlich angesehen, das wurde von allen bekräftigt. Es schien eine allgemeine Auffassung darüber vorzuliegen, wie das psychologische Bild eines Messerstechers aussah – ebenso darüber, wie ein Täter, der stumpfe Gegenstände vorzog, aufgebaut sein müsste –, aber eine Person, die den einen Tag das eine und den anderen das andere vorzog, die war nur schwer festzunageln.
Hieß es. Beide Morde hatten in allen möglichen Medien viel Aufmerksamkeit erregt, die Opfer waren mit Namen genannt worden, ihre Fotos veröffentlicht, aber die Leitungsgruppe hatte in Übereinkunft mit Staatsanwalt Sylvenius beschlossen, nichts über die verrückte Gewohnheit des Mörders verlauten zu lassen, Briefe an die Polizei zu schreiben und sie zu warnen. Vielleicht würde man diese Entscheidung später korrigieren, es war eine Frage der Abwägung hinsichtlich eventueller neuer Informationen, die man vom sogenannten Kommissar Allgemeinheit bekommen könnte – gegenüber der Panik, die wahrscheinlich entstehen würde und der Kritik, die man auf sich zöge, weil die Briefe der Bevölkerung erst im Nachhinein zur Kenntnis gebracht worden waren. Wie auch immer: in Erwartung des dritten Briefes – und eines dritten Opfers – schwieg man.
Aber vor ein paar Stunden war er also gekommen.
Der Brief – bisher noch kein Opfer. Auf jeden Fall hatte man bis jetzt noch keines gefunden. Barbarotti war wie üblich nach Hause gefahren und hatte nach dem Essen die Post des Tages durchgesehen, doch da er automatisch voraussetzte, dass der Mörder auch bei einem möglichen dritten Mal die gleiche Art von Umschlag benutzen würde, hätte er ihn fast übersehen.
Aber die Handschrift war die gleiche. Das Papier, auf dem die kurz gefasste Mitteilung verfasst war, auch. Was dieses Mal anders war: Er hatte einen hellblauen Umschlag genommen, nicht den üblichsten in Schweden, aber auch nicht besonders unüblich
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