Eine geheimnisvolle Lady
entdeckt?«
In diesem Moment fand er nur sie interessant, und er hegte den Verdacht, sie wusste das ganz genau. Aber er nutzte die Chance, ein neutraleres Thema zu erörtern als ihr Aussehen in dem kurzen Hemd. Bei jeder Bewegung ihres schönen Körpers wurde ihm deutlicher bewusst, dass ihn nur dünner Batist von ihrer warmen, nackten Haut trennte. »Bisher nicht. Perry erwirbt alle neuen Publikationen per Dauerauftrag. Aber er liest nur selten. Seit Olivias Verschwinden wurden nicht einmal die Buchseiten aufgeschnitten. Sehr traurig.«
Lässig ergriff sie ein kleines rotes Buch und betrachtete die Illustration auf dem Frontispiz. »Wer ist Olivia?«
»Du kümmerst dich tatsächlich nicht um Klatschgeschichten, oder?«
Sie schenkte ihm ein vielsagendes Lächeln. »Nur wenn sie vom berüchtigten Earl of Ashcroft handeln.«
Wieder einmal schämte er sich, weil sie so viel über seine dekadenten Ausschweifungen wusste. Andererseits hatte sein Lebenswandel diese hinreißende Frau in sein Bett geführt. Doch sie waren doch sicher schon längst über dieses oberflächliche Geschäft hinaus. Aber verdammt, wetten würde er darauf nicht.
Sicherheitshalber ging er nicht auf Dianas Sarkasmus ein und erklärte: »Olivia Raines wohnte gelegentlich in diesem Haus. Jetzt ist sie die Countess of Erith.«
Diana legte das rote Buch auf den Schreibtisch zurück und ergriff ein anderes. »Ah, Aristoteles. Wenigstens erweckt Lord Montjoy den Anschein, er wäre gebildet.«
Als er ihr das Buch aus der Hand nahm, streifte er ihre Finger. Sofort flammte neue Erregung in ihm auf. Was zum Teufel stimmte nicht mit ihm? Er war zu alt, um bei der harmlosen Berührung einer schönen Frau weiche Knie zu kriegen. »Verstehst du die griechische Sprache?«
»Ein bisschen.«
»Und Latein, nehme ich an?«
Achselzuckend nickte sie. »Mein Vater studierte in Cambridge, und ich bin sein einziges Kind. Da er keinen Sohn unterrichten konnte, erhielt ich eine Ausbildung, die für ein Mädchen ungewöhnlich war.«
Ashcroft lachte voller Selbstironie. »Oh Gott, ich bin einem Blaustrumpf verfallen.«
Abrupt versteifte sie sich. »Verfallen?«
Schon wieder hatte er etwas gesagt, was sie beunruhigte. Kam er etwas näher an ihre Geheimnisse heran? Soeben war sie beinahe mitteilsam gewesen. Während er vorgab, er hätte ihren plötzlichen Stimmungsumschwung nicht bemerkt, blätterte er in dem schönen alten Buch. Es war Aristoteles’ »Nikomachische Ethik«, vielleicht sollte er den Band behalten, um sich zu bessern. Und vielleicht müsste er seiner Geliebten die Wahrheit verraten. »Oh ja.«
Verdammt, sein Geständnis beglückte sie nicht.
»Ashcroft …«
»Wenn die Klatschbasen herausfinden, dass ich mit einem Blaustrumpf schlafe, werde ich den Ruf eines Wüstlings einbüßen.« Um eine drohende Auseinandersetzung zu vermeiden, wich er Dianas Blick aus und beugte sich über andere Bücher. »Da gibt es nicht viel, was mich interessiert.«
Zu seiner Erleichterung ging sie auf den Themenwechsel ein. »Offenbar interessiert sich dein Freund für Walter Scott.«
»Oh nein, diese Werke erwarb er nur, weil er dachte, sie müssten die Bibliothek eines weltgewandten Mannes zieren. Sicher liest Perry nur noch Sportberichte, seit er Eton verlassen hat.«
»Schade, dass er diesen Raum umgestaltet. Es ist der schönste im ganzen Haus.« Endlich kehrte ihr Lächeln zurück. »Abgesehen von unserem Apartment im zweiten Stock, das gefällt mir am besten.«
Ashcroft unterdrückte ein Stöhnen. Er versuchte, ihr klarzumachen, dass er mehr war als die personifizierte Begierde, und sie erinnerte ihn an das Schlafzimmer da oben. Trotzdem bemühte er sich tapfer um eine zivilisierte Konversation. »Sicher wird es dich erfreuen, meine Bibliothek im Ashcroft House zu inspizieren.«
Durch dichte Wimpern warf sie ihm einen kurzen Blick zu. »Hast du alle Bücher in deiner Bibliothek gelesen? Dann wird mich ihre … Größe zweifellos beeindrucken.« Sie ließ ihren Blick wandern, und die Zweideutigkeit ihrer Worte war nicht zu überhören.
Verführerische kleine Hexe. Er wurde hart wie die massiven Marmorsäulen, die den Hauseingang flankierten. »Wenn ich gewusst hätte, dass meine Lektüre der Verführung förderlich ist, hätte ich eine Leseliste mitgebracht.«
Langsam ging sie um den Schreibtisch herum, in Ashcrofts Richtung. Kerzenlicht spiegelte sich in ihren Augen, die ein unmissverständliches Interesse bekundeten.
Mit allen Fingern fuhr er durch sein
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