Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
frisch gekrönte König von England verurteilte das Rauchen als «eine Gewohnheit, welche für das Auge ekelhaft ist, welche die Nase hasst, welche dem Gehirn schadet, die Lungen gefährdet, und der schwarze, stinkende Rauch erinnert deshalb an den schrecklichen stygischen Rauch aus dem bodenlosen Schlund der Unterwelt».
Doch schob bald verbündete sich der Tabak mit dem Geld. Als die Briten Virginia zu einer Kolonie machten, erlangte der neu entstehende Tabakmarkt in Europa rasch enorme ökonomische Bedeutung – Bremen und Bristol, Glasgow und Dieppe wurden allesamt reich mit amerikanischem Tabak. Als die Europäer im 18. und 19. Jahrhundert weiter in die Tiefen des Kontinents vordrangen, wurde Tabak zu einem Handelsartikel und zu einer eigenständigen Währung. Die europäischeÜbernahme des Tabaks und das Pfeifenrauchen in Europa symbolisieren für viele amerikanische Ureinwohner die Ausbeutung ihres Heimatlands durch die Eindringlinge.
Von da an wurde das Rauchen in Europa und im Großteil der Welt zu einer Tätigkeit, die mit purem Vergnügen, täglicher Gewohnheit und beträchtlicher «Coolness» assoziiert wird. Im 20. Jahrhundert qualmten die Filmstars fleißig auf der Leinwand, während das Publikum sie, eingehüllt in dicke Rauchschwaden, bewunderte. Rauchen war nicht nur schick: Es galt als intellektuell und meditativ, und Sherlock Holmes bezeichnete einen besonders schwer zu lösenden Fall als ein «Drei-Pfeifen-Problem». Selbstverständlich gab es auch die enge und genussvolle persönliche Bindung an das physische Objekt. Der berühmte Pfeifenraucher und Politiker Tony Benn erinnert sich mit Freuden an diese Zeiten:
«Stanley Baldwin rauchte Pfeife, Harold Wilson rauchte Pfeife – es war die normalste Sache der Welt, und natürlich gibt es die Friedenspfeife, Pfeifen, die mit Freundschaft und gemeinsamem Herumsitzen ums Lagerfeuer verbunden sind, und so weiter. Sie haben also eine Bedeutung, die über die bloße Befriedigung des Rauchens hinausgeht. In gewisser Weise ist das eine Art Hobby – man kratzt die Pfeife aus, reinigt sie, stopft sie und zündet sie an, sie geht aus, man zündet sie wieder an, und wenn einem in einer Kabinettssitzung eine Frage gestellt wurde – heute herrscht dort ja strenges Rauchverbot –, konnte man sich eine Pfeife anzünden und sagen: ‹Das ist eine sehr gute Frage› – es verschafft einem ein wenig Zeit, über die Antwort nachzudenken. Ich würde jedoch keinem raten, mit dem Rauchen anzufangen.»
Die Ächtung des Rauchens in der westlichen Welt in den letzten dreißig Jahren bedeutete eine außergewöhnliche Revolution. In Hollywoodfilmen rauchen heute allenfalls noch die Bösewichte und das Publikum überhaupt nicht mehr; würde man jemanden dabei erwischen, würde er sofort des Kinosaals verwiesen. König Jakob I. wäre begeistert. Wie schon am Beispiel des Warren Cup deutlich wurde, ist das, was Gesellschaften als Vergnügen gestatten, unablässig und nicht vorhersehbar Gegenstand der Auseinandersetzung.
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Gürtel für ein rituelles Ballspiel
Gürtel aus Stein, gefunden in Mexiko
100–500 n. Chr.
In der Mexikanischen Abteilung des Britischen Museums haben wir ein Objekt, das aussieht wie ein riesiges steinernes Hufeisen – es ist rund 40 Zentimeter lang, gut 12 Zentimeter dick und aus sehr schönem, grau-grün gesprenkeltem Stein gefertigt. Als es in den 1860er Jahren in den Besitz des Museums kam, hielt man es zunächst für ein Jochgeschirr für ein Zugpferd oder Ähnliches. Doch diese Vorstellung war in zweierlei Hinsicht problematisch: Das Objekt ist sehr schwer – es wiegt fast 40 Kilogramm –, und zudem gab es in Mittelamerika keine Arbeitspferde oder Zugtiere, die brachten erst die Spanier im 16. Jahrhundert aus Europa mit.
Erst vor etwas mehr als fünfzig Jahren gelangte man zu der gesicherten Erkenntnis, dass diese Steinskulpturen nichts mit Tieren zu tun hatten: Es handelte sich um Objekte, die von Menschen getragen wurden. Sie stellen die gepolsterten Gürtel aus Stoff oder Flechtwerk dar, die man bei den antiken mittelamerikanischen Ballspielen als Hüftschutz trug. Einige dieser «Steingürtel» fungierten wohl als eine Art Model, um leichtere Stoff- oder Lederpolster herzustellen, und unser Exemplar hier im Museum ist so schwer, dass es, wenn überhaupt, nur für kurze Zeit getragen werden konnte. Wir wissen nicht genau, bei welchen Gelegenheiten oder wie es ursprünglich getragen wurde; wir wissen nicht einmal, ob es
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