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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Stammesfürstentümern in Sri Lanka.
    Es ist wirklich der Handel, der Menschen von Indien nach Sri Lanka gebracht hat. Es gibt bestimmte Gemeinden von ziemlich frischen Einwanderern aus Südindien. Sie vermischten ihre südindische Identität mit einer mehr srilankischen Identität, und das Kuriose daran ist, dass viele von ihnen zu den glühendsten singhalesischen Nationalisten gehören.»
    Die komplexe Ausarbeitung der Beziehungen, die wir in Tara verkörpert finden, zwischen Singhalesen und Tamilen, zwischen Sri Lanka und Südindien, zwischen Buddhisten und Hindus, ist 1200 Jahre später noch immer aktuell, denn diese Konstellation führte tragischerweise auch zum jüngsten langen und blutigen Bürgerkrieg.
    Aber Tara könnte tatsächlich dank des Krieges überlebt haben. Spuren auf der Oberfläche der Skulptur legen nahe, dass sie irgendwann einmal vergraben wurde, möglicherweise um zu verhindern, dass sie von Invasoren geraubt und eingeschmolzen wurde. Leider ist weder etwas darüber bekannt, wie oder wann die Statue gefunden wurde, noch wie sie um 1820 in den Besitz des Gouverneurs von Ceylon (wie die Insel zu dieser Zeit genannt wurde), des Soldaten Sir Robert Brownrigg, gelangte. Während der Napoleonischen Kriege hatten die Briten die Herrschaft über Ceylon von den Niederländern übernommen, und im Jahre 1815 hatte Robert Brownrigg das letzte eigenständige sri-lankische Königreich auf der Insel erobert; er brachte Tara 1822 nach Großbritannien.
    Viele Jahrhunderte zuvor war die Insel von jener besonderen Strömung des Buddhismus, für die Tara eine so herausragende Rolle gespielt hatte, abgekommen, und es ist gut möglich, dass ihre Statue aus dem Tempel entfernt und vergraben wurde, um sie während dieses religiösen Umbruchs in Sicherheit zu bringen. Aber auch wenn sie in Sri Lanka nicht mehr wie in der Vergangenheit verehrt wird, so ist Tara doch an vielen Orten, besonders in Nepal und Tibet, eine lebendige göttliche Macht. Wie in Sri Lanka vor 1200 Jahren, rufen Millionen von Menschen auf der ganzen Welt Tara noch immer an, dass sie ihnen beistehen möge.

55
Chinesische Grabfiguren der Tang-Dynastie
    Keramikskulpturen aus der Provinz Henan, China
Um 728 n. Chr.
    Es gilt als sicheres Zeichen dafür, dass man in die Jahre gekommen ist, wenn man die Zeitung aufschlägt und zuerst die Todesanzeigen liest. Aber reiferen Jahrgangs oder nicht, die meisten von uns, so vermute ich, wüssten schrecklich gerne, was die Leute tatsächlich über uns sagen werden, wenn wir sterben. Im China der Tang-Dynastie um 700 n. Chr. fragten sich die Mächtigen nicht nur, was man über sie sagen würde: Begierig darauf, ihren Platz in der Nachwelt zu sichern, schrieben sie ihre Nachrufe einfach selbst oder gaben diese in Auftrag, um so ihre Nachkommen und Götter genau wissen zu lassen, wie wichtig und bewundernswert sie waren.
    In der Asien-Abteilung im Nordteil des Britischen Museums stehen zwei Statuen von Richtern der chinesischen Unterwelt, die die guten und die schlechten Taten der Verstorbenen festhalten. Genau diese Richter waren es, die die Tang-Elite beeindrucken wollte. Vor ihnen steht eine prächtige lebendige Truppe von Keramikfiguren. Sie sind alle zwischen 60 und 110 Zentimeter hoch, und es sind zwölf an der Zahl – Menschen, Tiere und etwas dazwischen. Sie stammen vom Grab einer der großen Persönlichkeiten Tang-Chinas, Liu Tingxun, General der Zhongwu-Armee, Leutnant der Bezirke von Henan und Huinan und Geheimrat der Regierung, der 728 im Alter von 72 Jahren starb.
    Liu Tingxun berichtet uns dies und eine Menge anderer Dinge in einem glühenden Nachruf, den er für sich selbst in Auftrag gab und gemeinsam mit seinem Keramikgefolge seiner Grabstätte beifügen ließ. Gemeinsam vermitteln uns Figuren und Text einen faszinierenden Eindruck vom China 1300 Jahre vor unserer Zeit; vor allem aber sind sie eine schamlos unverhüllte Aufforderung zu ewiger Bewunderung und Beifallsbekundung.
    Die beiden Richter der chinesischen Unterwelt.
    Das Bedürfnis, auf die eigene Reputation nach dem Tod Einfluss zu nehmen, ist heutzutage nicht unbekannt, wie Anthony Howard, früher zuständiger Redakteur für die Nachrufe bei der
Times
, sich erinnert:
    «Ich bekam viele Briefe, die lauteten: ‹Ich scheine nicht jünger zu werden, und ich dachte, es könnte hilfreich sein, Ihnen ein paar Angaben über mein Leben zukommen zu lassen›. Es war unglaublich, wie eingebildet die Leute waren, wenn sie etwa Dinge

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