Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
Vom Netzwerk:
spanische Kolonialreich.
    Aber die Acht-Reales-Münze verdankt ihre Sonderstellung unter den Währungen der Welt nicht nur Long John Silvers Papagei. Vielmehr war der
peso de ocho reales
, das spanische Acht-Reales-Stück, das erste echte Weltgeld. Die Münzen wurden in großer Zahl hergestellt und kamen innerhalb von nur 25 Jahren nach der Erstprägung in den 1570er Jahren in Asien, Europa und auf dem amerikanischen Doppelkontinent in Umlauf. Seine so gewonnene marktbeherrschende Rolle konnte das Acht-Reales-Stück bis weit ins 19. Jahrhundert halten.
    Aus heutiger Sicht ist das Acht-Reales-Stück mit seinen rund vier Zentimetern Durchmesser eine große Münze, und sie bringt ein ordentliches Gewicht auf die Waage – etwa so viel wie drei Ein-Pfund-Münzen. Im Gegensatz zu den Münzen, die blitzblank und funkelnd frisch aus der Presse kamen, weist unser Exemplar aufgrund der Oberflächenkorrosion einen stumpfen Silberton auf. Um 1600 hätte man für diese Münze vermutlich Waren im heutigen Wert von etwa 50 Pfund kaufen können – und man hätte praktisch überall in der Welt damit bezahlen können.
    Die Hoffnung auf Gold hatte die Spanier nach Amerika gelockt, aber es war das Silber, das sie wirklich reich machte. Es dauerte nicht lange, bis die Spanier die Silberminen im aztekischen Mexiko entdeckt hatten und auszubeuten begannen – aber auf den eigentlichen Silber-Jackpot stießen sie in den 1540er Jahren in Peru – am südlichen Rand des Inkareichs im heutigen Bolivien, an einem gebirgigen Ort namens Potosí am Cerro Rico, der bald als Silberberg bekannt wurde. Innerhalb weniger Jahrzehnte nach der Entdeckung der Silberminen von Potosí war die Silbermenge, die jährlich über den Atlantik nach Spanien verschifft wurde, von bescheidenen 148 Kilogramm in den 1520er Jahren auf 3000 Tonnen in den 1590er Jahren gestiegen. Noch nie hatte es in der Wirtschaftsgeschichte der Welt ein so gewaltiges und folgenreiches Ereignis gegeben. Der Bergkegel des Cerro Rico ragt in einer der unzugänglichsten Gegenden Südamerikas auf einer Höhe von 3700 Metern über dem Meeresspiegel von einem sehr kalten und trockenen Hochplateau in den Anden auf. Der Silberabbau erforderte so viele Arbeitskräfte, dass die Einwohnerzahl von Potosí trotz der unzugänglichen Lage der Stadt bis zum Jahr 1610 auf 150.000 angewachsen war, was sie nach europäischen Maßstäben zu einer Großstadt – und einer unvorstellbar reichen noch dazu – machte. Ein spanischer Priester geriet 1640 angesichts dessen, was die Mine hergab, ins Schwärmen:
    «Der Überfluss an Silbererzen … ist so groß, dass, gäbe es keine anderen Silberminen in der Welt, sie allein genügen würden, diese mit Reichtum zu füllen. In ihrer Mitte steht der Berg Potosí, der gar nicht genug gerühmt und bewundert werden kann und dessen Schätze großzügig an alle Nationen der Welt verteilt wurden.»
    Ohne Potosí wäre die europäische Geschichte des 16. Jahrhunderts anders verlaufen. Dem amerikanischen Silber verdankten die spanischen Könige ihre Vormachtstellung unter den Herrschern Europas, mit ihm finanzierten sie ihre Heere und Armadas. Amerikanisches Silber versetzte die spanische Monarchie in die Lage, gegen Holländer, Engländer und Türken Krieg zu führen, und es legte den Grund für ein Maß an Verschwendung, das sich letztendlich als verhängnisvoll erweisen sollte. Doch jahrzehntelang verschafften die Silberströme Spanien selbst in den schlimmsten Krisenzeiten und Bankrotten eine grundso lide finanzielle Basis: Man ging immer davon aus, dass es im nächsten Jahr wieder eine Schatzflotte geben würde, und so war es denn auch. «Im Silber liegt die Sicherheit und die Stärke meiner Monarchie», hat König Philipp IV. einmal erklärt.
    Die Gewinnung dieser Reichtümer hatte einen hohen Preis an Menschenleben. In Potosí wurden indigene junge Männer als Zwangsarbeiter in den Minen eingesetzt. Die Bedingungen waren unmenschlich und im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch. Ein Augenzeuge berichtete im Jahr 1585:
    «Und die Erfrischung, die den Arbeitern normalerweise zur Linderung ihrer Erschöpfung verabreicht wird, ist, daß sie sich wie Hunde behandeln lassen müssen oder unter dem Vorwand, daß sie zu wenig Erz mitgebracht hätten, oder daß sie zu spät kämen, oder daß sie nur Erde herausgeholt oder etwas gestohlen hätten, eine Züchtigung erhalten. Und vor weniger als vier Monaten ist es sogar passiert, daß ein Indio, der einem ihm geltenden

Weitere Kostenlose Bücher