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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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eine landeseigene Währung einzuführen, prägte sie spanische Acht-Reales-Stücke in Fünf-SchillingMünzen um.
    Die Schätze aus Spanisch-Amerika läuteten in ganz Europa ein Zeitalter des Silbers ein. Doch gerade der Überfluss an Silber brachte eine Reihe neuer Probleme mit sich. So bewirkte er, dass immer mehr Geld in Umlauf gebracht wurde – das war, als würde eine Regierung heute immer mehr Geld drucken. Die Folge war eine Inflation. In Spanien nahm man konsterniert zur Kenntnis, dass die politische Macht und der wirtschaftliche Reichtum des Landes offenbar eher Schein als Wirklichkeit waren. Paradoxerweise herrschte in Spanien selbst akute Knappheit an Silbermünzen, weil sie mit vollen Händen für importierte Waren ausgegeben wurden, während die eigene Wirtschaft verkümmerte.
    Als sich Gold und Silber aus Spanien verflüchtigten, machten sich die Intellektuellen des Landes Gedanken über die Kluft zwischen Illusion und Wirklichkeit des Wohlstands und über die moralischen Folgen der unerwarteten wirtschaftlichen Probleme ihres Staates. Ein Autor beschreibt das Problem im Jahr 1600 so:
    «Spanien ist zugrunde gerichtet, weil Reichtümer mit dem Winde verfliegen und dies schon immer getan haben in der Form von Vertragsurkunden, gezogenen Wechseln, Silber und Gold anstelle von Gütern, die Früchte tragen und die, weil sie mehr wert sind, selbst Reichtümer aus anderen Ländern einbringen, und darum ist unsere Bevölkerung am Ende. Wir sehen also, dass der Mangel an Gold- und Silbergeld in Spanien daran liegt, dass es zu viel davon in Spanien gibt und dass Spanien arm ist, weil es reich ist.»
    Mehr als vier Jahrhunderte später bemühen wir uns immer noch mit mehr oder weniger Erfolg, die globalen Finanzmärkte zu begreifen und die Inflation in Zaum zu halten.
    Der sagenhafte Reichtum von Potosí ist auch heute noch sprichwörtlich. Spanier sagen, etwas «vale un Potosí», wenn sie meinen, dass es ein Vermögen wert ist, und das spanische Acht-Reales-Stück lebt als romantisches Requisit in Piratengeschichten fort. Tatsächlich ist diese Münze als Basis, auf der das erste Weltreich entstehen konnte, einer der Grundpfeiler der Moderne, Vorbotin und Wegbereiterin der globalen Wirtschaft unserer Zeit.

Teil XVII
Toleranz und Intoleranz
1550–1700 n. Chr.
    Die protestantische Reformation hat die christliche
Kirche des Westens in zwei gegnerische Lager gespalten
und eine Reihe größerer Glaubenskriege nach sich gezogen. Als
es keiner der beiden Seiten gelang, den Dreißigjährigen Krieg für
sich zu entscheiden, führte dies, weil die Kräfte allseits aufgezehrt
waren, zu einer Phase der religiösen Toleranz in Europa. In Eurasien
gaben zu dieser Zeit drei islamische Mächte den Ton an: das Osmanische
Reich der Türken, das indische Mogulreich und das Reich der Safawiden in
Persien. Im Mogulreich herrschte weitgehend Religionsfreiheit, die mehrheitlich
nichtmuslimische Bevölkerung des indischen Subkontinents konnte weiterhin
anbeten, wen sie wollte. Die persischen Safawiden schufen das weltweit
erste Reich, in dem der schiitische Islam zur Staatsreligion erklärt
wurde. Gleichzeitig wurde die religiöse Landkarte der Welt durch Eroberungen
und Handel neu gezeichnet, und sowohl die christliche
Kirche als auch der Islam waren daran interessiert, in ihren
jeweiligen Einflussgebieten in Amerika und Südostasien,
die neu bekehrten Gemeinden samt ihren bestehenden
religiösen Bräuchen und Traditionen
zu assimilieren.

In der Kathedrale von Isfahan, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Auftrag von Schah Abbas I. errichtet, verbinden sich christliche Symbolik und islamische Baukunst.

81
Schiitische Prozessionsstandarte
    Vergoldete Messingstandarte, aus Iran
1650–1700 n. Chr.
    Wer heute Isfahan, im 17. Jahrhundert Hauptstadt des schiitischen Iran, als Tourist besucht, wundert sich vielleicht, wenn er ausgerechnet in dieser durch und durch islamischen Stadt auf eine der großen christlichen Kathedralen der Welt stößt, ausgestattet mit silbernen Altarkreuzen und reich geschmückt mit Wandmalereien, in denen sich die biblische Geschichte entfaltet. Schah Abbas I., der berühmte Herrscher des frühneuzeitlichen Iran, ließ sie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bauen und lieferte damit ein gutes Beispiel dafür, wie sich die religiöse Landkarte der Welt im 16. und 17. Jahrhundert verändert hat. Im Brennpunkt der Veränderungen stand die Frage, ob es in einem Land mehr als eine

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