Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Truppen der Unzufriedenen wäre es den Spaniern nie gelungen, Mexiko zu besiegen. Passenderweise erzählt die doppelköpfige Schlange beide Geschichten: die des Aztekenreichs auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Entfaltung und seiner religiösen und politischen Macht und die der systematischen Unterdrückung der Völker, die es unterworfen hatte und die letztendlich für seinen Untergang verantwortlich waren. Wenige Monate nach seiner ersten Begegnung mit Cortés war Moctezuma tot und Tenochtitlán von den Spaniern in Schutt und Asche gelegt. Seines Herrschers und seiner Hauptstadt beraubt, war das Aztekenreich praktisch am Ende. Ein Übriges taten die von Europa eingeschleppten Krankheiten, allen voran die Pocken, die schon bald unter den Einheimischen wüteten. Schätzungen gehen davon aus, dass innerhalb von zwei Jahrzehnten nachAnkunft der Spanier 90 Prozent der Bevölkerung dahingerafft worden waren. So wurde Mexiko eines von vielen Territorien im riesigen amerikanischen Kolonialreich der Spanier, das sich von Kalifornien bis nach Chile und Argentinien erstreckte – ein Reich, dessen Einfluss, wie wir sehen werden, weit über die Grenzen Spaniens und des amerikanischen Doppelkontinents hinausreichen sollte.
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Kakiemon-Elefanten
Porzellanfiguren, aus Japan
1650–1700 n. Chr.
In weiten Teilen der Welt galten weiße Elefanten als Zeichen der Macht und als Omen. Sie wurden von den Herrschern Südostasiens geschätzt; in der Nacht, bevor Buddha geboren wurde, erschien seiner Mutter ein weißer Elefant im Traum. Sie waren aber auch ein zweifelhafter Segen – als Geschenk eines Königs konnte man sie schwerlich als gewöhnliche Arbeitstiere einsetzen, und sie waren entsetzlich teuer in der Haltung. Im Englischen ist der «weiße Elefant» zum Synonym für lästigen Besitz geworden, der mehr Unkosten verursacht, als er wert ist. Im Britischen Museum haben wir zwei fast weiße Elefanten. Sie sind vollkommen nutzlos, und sie sind teuer (nach heutigen Begriffen würden sie mehrere tausend Euro kosten), aber sie sind ungemein hübsch anzusehen, und sie erzählen eine überraschende Geschichte vom Dreieckskampf um die Macht zwischen China, Japan und Korea im 17. Jahrhundert – und von der Entstehung des modernen multinationalen Konzerns.
Unsere Elefanten wurden irgendwann zwischen 1660 und 1700 von Japan nach Europa geschafft. Sie sind ungefähr so groß wie ein Yorkshire Terrier, und dass es sich um Elefanten handelt, erkennt man vor allem daran, dass sie einen Rüssel und Stoßzähne haben. Abgesehen davon sind sie einigermaßen erstaunlich. Der Körper ist aus einem wunderbar sahnig-weißen Porzellan, das in kräftiger Aufglasurfarbe mit Ornamenten bemalt ist – rote Felder auf den Beinen, ein blaues Muster, das offensichtlich ein Geschirr darstellt, auf dem Rücken und rotgerändertes Schlüsselblumengelb auf den Innenseiten der Ohren, an deren Form man eindeutig den Asiatischen Elefanten erkennt. Ebenso eindeutig sind die Augen japanische Augen. Es kann wenig Zweifel daran bestehen, dass demKünstler, der diese Elefanten geschaffen hat, ein Tier vorschwebte, das er in Wirklichkeit nie gesehen hat, und es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass dieser Künstler Japaner war.
Unsere munteren Porzellanelefanten sind ein direktes Produkt der komplexen Beziehungen Japans zu den benachbarten Staaten China und Korea, aber sie dokumentieren auch den Einfluss der engen Handelsverbindungen zwischen Asien und Westeuropa im 16. und 17. Jahrhundert. Seitdem diese Verbindungen bestehen, hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen sich Europa für die Erzeugnisse von Kunst und Handwerk aus Japan begeistert hat. Den Anfang machte im 17. Jahrhundert eine gewaltige Nachfrage nach Porzellan im Kakiemon-Stil, einer speziellen Technik, die, angeblich erfunden von einem Töpfermeister namens Kakiemon, bei den Porzellanherstellern als traditionelle japanische Handwerkskunst von Generation zu Generation weitergereicht wurde. Unsere Elefanten sind Kakiemon-Elefanten, wie sie sich im 17. Jahrhundert zusammen mit anderen Kreaturen ihresgleichen auf den Kaminsimsen und Möbeln der europäischen Herrenhäuser tummelten. Eine der ältesten und schönsten Sammlungen solcher japanischer Porzellantiere, zu der auch Kakiemon-Elefanten gehören, befindet sich in Burghley House in Lincolnshire.
Miranda Rock, eine direkte Nachfahrin des Grafen von Exeter, der das Porzellan zusammengetragen hat, erzählt:
«Dieses Porzellan
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