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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Konsolidierung bedarf, und zwar nicht unbedingt territorial, sondern vielmehr ideologisch und psychologisch. Der König und seine Berater sind auf der Suche, wie sie so etwas wie ein ägyptisches Nationalgefühl und damit die Unterstützung für das eigene Regime verstärken können. Ich glaube, sie merkten (wie so viele Regierende im Verlauf der Weltgeschichte), dass nichts eine Nation und ein Volk so eng zusammenschweißt wie ein Krieg gegen einen gemeinsamen äußeren Feind, ganz gleich, ob dieser Feind nun real oder lediglich konstruiert ist. Und insofern kommt der Kriegführung bei der Herausbildung und Stärkung des ägyptischen Nationalgefühls eine tragende Rolle zu.»
    Eine beklemmend vertraute Strategie: Man gewinnt die Herzen und Köpfe der Menschen zu Hause, indem man sich auf Bedrohungen von außen konzentriert, doch die Waffen, die man braucht, um den Feind zu zerschmettern, erweisen sich auch als nützlich, wenn es gegen Widersacher im eigenen Land geht. Die politische Rhetorik vom fremden Aggressor wird unterfüttert durch ein rücksichtsloses Vorgehen zu Hause.
    Der moderne Staatsapparat ist also schon zu Zeiten König Dens entstanden, und das mit nachhaltigen Folgen sowohl politischer als auch künstlerischer Art. Nur die Macht dieser Ordnung konnte die ungeheuren Bauprojekte stemmen, welche die frühen Pharaonen in Angriff nahmen. Dens opulentes Grab ausGranit, der über Hunderte von Kilometern herangeschafft werden musste, und die späteren, noch gewaltigeren Pyramiden waren nur möglich, weil die Pharaonen die Köpfe und die Körper ihrer Untertanen auf so extreme Weise kontrollierten und unterwarfen. Dens kleines Sandalentäfelchen ist ein Meisterkurs
en miniature
in Sachen Machtpolitik und Machterhalt.

12
Die Standarte von Ur
    Holzkasten mit Einlegearbeiten aus Mosaiksteinen,
gefunden auf dem Königsfriedhof von Ur, Südirak
2600–2400 v. Chr.
    Im Zentrum so gut wie aller Großstädte, inmitten von Überfluss und Reichtum, von Macht und Geschäftigkeit, findet man gewöhnlich ein groß angelegtes Monument für den Tod. Ob Paris, Washington, Berlin oder London – es ist überall das Gleiche. In Whitehall beispielsweise, nur ein paar Meter von Downing Street, dem Finanzministerium und dem Verteidigungsministerium entfernt, erinnert das Cenotaph an die Millionen von Kriegstoten des vergangenen Jahrhunderts. Warum befindet sich der Tod im Herzen unserer Städte? Eine Erklärung könnte sein: Um den Reichtum und die Macht, für die unsere Städte stehen, zu bewahren, müssen wir bereit sein, sie gegen diejenigen zu verteidigen, die sie uns wegnehmen wollen. Dieses Objekt, das aus einer der ältesten und reichsten Städte überhaupt stammt, scheint klipp und klar zu sagen, dass die Fähigkeit der Städte, reich zu werden, unauflöslich mit der Bereitschaft verknüpft ist, Kriege zu führen und zu gewinnen.
    Die Städte nahmen ihren Anfang vor rund 5000 Jahren, als es in einigen der größten Flusstäler dieser Welt zu rasanten Veränderungen der menschlichen Lebensformen kam. Binnen weniger Jahrhunderte war fruchtbares Land, das erfolgreich beackert wurde, dicht besiedelt. Am Nil führte dieses rasche Bevölkerungswachstum, wie wir gesehen haben, zur Schaffung eines geeinten ägyptischen Staates. In Mesopotamien (dem heutigen Irak), dem Land zwischen Euphrat und Tigris, führten landwirtschaftliche Überschüsse – und das Mehr an Bevölkerung, das damit versorgt werden konnte – dazu, dass sich Siedlungen mit 30.000 bis 40.000 Menschen bildeten, einer Größe, die es nie zuvor gegebenhatte, aus denen die ersten Städte entstanden. Um das Leben derart vieler Menschen auf einem Haufen in geregelte Bahnen zu lenken, bedurfte es neuer Macht- und Kontrollsysteme, und die Strukturen, die sich um 3000 v. Chr. in Mesopotamien entwickelten, haben sich als erstaunlich langlebig erwiesen. Sie bilden quasi bis heute das Modell für urbane Organisation. Ohne Übertreibung könnte man sagen: Die modernen Städte überall auf dieser Welt haben Mesopotamien in ihrer DNA.

    Die berühmteste von all diesen frühen mesopotamischen Städten war die Sumererstadt Ur. Kein Wunder also, dass der berühmte Archäologe Leonard Woolley in den 1920er Jahren beschloss, seine Ausgrabungen genau dort durchzuführen. Dabei entdeckte er Königsgräber, die wirkten, als seien sie der Fiktion entsprungen. Da gab es eine Königin und ihre weiblichen Bediensteten, die mit ihr zusammen starben und bekleidet mit Goldornamenten

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