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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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ziemlich vielen Objekten aus der Zeit der Sumerer, die bis heute erhalten geblieben sind …die alte Geschichte ist also tatsächlich so etwas wie ein einender Faktor im heutigen Irak.»
    In der Vergangenheit Mesopotamiens liegt somit ein wichtiger Schlüssel für die Zukunft des Irak. Archäologie und Politik sind offenbar, wie Städte und Krieg, dazu bestimmt, eng miteinander verbunden zu bleiben.

Die Model-Form des Siegels (oben) und ein Abdruck davon.

13
Siegel der Indus-Kultur
    Steinstempel aus Harappa, Industal (Punjab), Pakistan
2500–2000 v. Chr.
    Anhand der beiden vorangegangenen Objekte haben wir den Aufstieg von Stadt und Staat erlebt. Doch Städte und Staaten können auch untergehen. Ich will Sie im Folgenden nicht nur in eine solche versunkene Stadt mitnehmen, sondern gleich in eine ganze Kultur, die zusammenbrach – in erster Linie wegen klimatischer Veränderungen – und dann für über 3500 Jahre aus dem Menschheitsgedächtnis verschwand. Ihre Wiederentdeckung in Pakistan und im Nordwesten Indiens lieferte den Stoff für eine der größten archäologischen Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts; heute, im 21. Jahrhundert, setzen wir die Einzelteile noch immer zusammen. Diese untergegangene Welt war die Kultur des Industals, und die Geschichte ihrer Wiederentdeckung beginnt mit einem kleinen, gravierten Stein, der als Siegel in feuchten Ton gedrückt wurde.
    Wir haben gesehen, wie entlang der großen Flüsse dieser Welt die ersten Städte und Staaten entstanden sind und wie diese neuen Ansammlungen von Menschen und Wohlstand organisiert und regiert wurden. Vor rund 5000 Jahren floss der Indus, wie er das bis heute tut, von der Hochebene Tibets bis ins Arabische Meer. In den üppigen, fruchtbaren Überschwemmungsebenen entwickelte sich die Indus-Kultur, die auf ihrem Höhepunkt rund eine halbe Million Quadratkilometer umfasste.
    Ausgrabungen dort haben die Pläne ganzer Städte zutage gefördert, aber auch deutliche Hinweise auf ausgedehnte internationale Handelsstrukturen. Steinsiegel aus dem Industal hat man bis in den Nahen Osten und nach Zentralasien gefunden, doch die Siegel dieses Kapitels stammen aus dem Industal selbst.
    Im Britischen Museum haben wir eine kleine Sammlung von steinernen Stempelsiegeln, die in Wachs oder Ton gepresst wurden, um Besitzansprüche geltend zu machen, ein Dokument zu unterzeichnen oder ein Paket zu markieren. Sie wurden zwischen 2500 und 2000 v. Chr. angefertigt und sind annähernd quadratisch, haben in etwa die Größe einer heutigen Briefmarke und bestehen aus Speckstein, der sich besonders leicht gravieren lässt. Und sie sind großartig graviert mit ihren kunstvollen Darstellungen von Tieren. Es gibt einen Elefanten, einen Ochsen, eine Art Kreuzung aus Kuh und Einhorn und – das ist mein Lieblingsstück – ein Nashorn, das aussieht, als würde es hüpfen. Das unter historischen Aspekten bedeutendste Siegel ist dabei fraglos das mit der Kuh, die ein wenig wie ein Einhorn aussieht; es war sozusagen der Auslöser, der zur Entdeckung der gesamten Indus-Kultur geführt hat.
    Das Siegel selbst wurde in den 1850er Jahren gefunden, und zwar in der Nähe der Stadt Harappa, die damals zu Britisch-Indien gehörte und knapp 250 Kilometer südlich von Lahore im heutigen Pakistan liegt. In den darauffolgenden fünfzig Jahren gelangten drei weitere ähnliche Siegel ins Britische Museum, aber niemand wusste, worum es sich dabei handelte und wann oder wo sie gefertigt worden waren. 1906 jedoch wurde John Marshall auf diese Siegel aufmerksam, der damalige Generaldirektor der Archaeological Survey of India. Er ordnete die Ausgrabung der Ruinen von Harappa an, wo man das erste Siegel gefunden hatte. Was man nun entdeckte, hatte zur Folge, dass man die Weltgeschichte neu schreiben musste.
    Marshalls Team fand bei Harappa die Überreste einer riesigen Stadt und entdeckte anschließend in der Nähe noch viele weitere Städte, die sich alle auf die Zeit zwischen 3000 und 2000 v. Chr. datieren lassen. Damit reichte die indische Kultur viel weiter zurück, als man bislang angenommen hatte. Nach und nach wurde deutlich, dass es sich um ein Land mit hoch entwickelten urbanen Zentren, Handel, Industrie und sogar Schrift gehandelt hatte. Zeitlich und vom Entwicklungsstand her stand es auf einer Stufe mit dem alten Ägypten und Mesopotamien – und war vollkommen in Vergessenheit geraten.
    Die größten Städte im Industal wie Harappa oder Mohenjo-Daro hatten zwischen 30.000

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