Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
Vom Netzwerk:
Mittelamerikabaute, den Himmel vermaß, die erste Schrift und vermutlich auch den ersten Kalender dort entwickelte. Sie erfanden sogar eines der frühesten Ballspiele weltweit, mit dem die Spanier rund 3000 Jahre später Bekanntschaft machten. Es wurde mit Bällen aus Naturkautschuk gespielt – den man aus den tropischen Kautschukbäumen vor Ort gewann –, und auch wenn wir nicht wissen, wie die Olmeken sich selbst nannten, so ist doch dokumentiert, dass die Azteken sie als das Volk aus Olman bezeichneten, das Volk aus dem «Kautschuk land».
    Es ist noch gar nicht so lange her, dass man die Olmeken-Kultur im Dschungel Mexikos entdeckt hat; erst nach dem Ersten Weltkrieg wurden ihre Stätten, ihre Architektur und vor allem ihre Skulpturen gefunden und erforscht. Herauszufinden, wann die Olmeken gelebt hatten, dauerte noch länger. Seit den 1950er Jahren erlaubten neue Techniken der Radiokohlenstoffdatierung den Archäologen, genauere Zeitangaben zu den Gebäuden und damit auch zu den Menschen, die darin lebten, zu machen. Die Ergebnisse zeigten, dass diese bedeutende Zivilisation vor rund 3000 Jahren ihre Blütezeit erlebt hatte. Die Entdeckung dieser antiken und langlebigen Kultur hatte grundlegende Auswirkungen auf die modernen mexikanischen Identitätsvorstellungen. Ich fragte den großen mexikanischen Autor Carlos Fuentes, was das für ihn bedeutet:
    «Es bedeutet, dass ich eine ganz erstaunliche kulturelle Kontinuität habe. Viele Lateinamerikaner, die aus europäischen Ländern eingewandert sind oder sich nicht auf eine starke indianische Kultur stützen können, können die außerordentliche Stärke der Kultur Mexikos, die im 12. oder 13. Jahrhundert v. Chr. ihren Anfang nimmt, gar nicht richtig würdigen.
    Wir betrachten uns als Erben all dieser Kulturen. Sie sind ein Teil unserer Veranlagung, ein Teil unserer Ethnie. Wir Mexikaner sind im Grunde ein Mestizenland, indianisch und europäisch geprägt. Die Indianerkultur hat unsere Literatur durchdrungen, unsere Malerei, unsere Sitten, unsere Folklore. Sie ist überall. Sie ist Teil unseres kulturellen Erbes, ebenso wie die spanische Kultur, die für uns nicht nur iberisch, sondern auch jüdisch und maurisch geprägt ist. Mexiko ist also eine Mischung vieler Kulturen, und dazu gehören auch die großen Indianerkulturen der Vergangenheit.»
    Wer also waren die Olmeken? Wessen Gesicht zeigt diese Maske und wie wurde sie getragen? Olmeken-Masken beschäftigen die Historiker schon seit langem.Als sie die Merkmale dieser Masken untersuchten, glaubten viele Wissenschaftler, sie hätten es mit Menschen aus Afrika, China oder sogar aus dem Mittelmeerraum zu tun, welche die Neue Welt kolonisiert hatten. Ich glaube, wenn man unsere Maske anschaut und darin unbedingt ein afrikanisches oder chinesisches Gesicht erkennen will, dann wird man sich das mit ziemlicher Sicherheit einreden können; doch die Gesichtszüge sind in Wirklichkeit absolut charakteristisch für Menschen in Zentralamerika. Ganz ähnliche Gesichtszüge findet man noch heute bei den in Mexiko lebenden Nachfahren der Olmeken. Doch der Wunsch, in antiken amerikanischen Gesellschaften europäische oder asiatische Elemente zu entdecken, Belege für weit zurückreichende Verbindungen und Einflüsse zu finden, ist groß und lässt tief blicken. Die Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen der alten und der neuen Welt sind so frappierend – beide schufen Pyramiden und bedienten sich der Mumifizierung, beide bauten Tempel und pflegten priesterliche Rituale, beide wiesen Gesellschaftsstrukturen und Gebäude auf, die ähnlich funktionierten –, dass Forscher lange Zeit kaum glauben konnten, dass die amerikanischen Kulturen völlig isoliert und für sich entstanden sind. Aber so war es.
    Die eingeritzten Symbole auf den Wangen der Olmeken-Maske.
    Unsere Maske, die nur etwa 13 Zentimeter groß ist, ist ganz offensichtlich deutlich zu klein, als dass man sie über irgendein Gesicht hätte stülpen können; wahrscheinlicher ist deshalb, dass man sie um den Hals oder als Kopfschmuck getragen hat, womöglich bei irgendeiner Art von Zeremonie. An den Rändern und oben wurden kleine Löcher hineingebohrt, so dass man sie leicht an einem Stück Schnur oder Faden befestigen konnte. Auf beiden Wangen erkennt man etwas, was in meinen europäischen Augen aussieht wie zwei Kerzen auf einem Halter. In den Augen des Olmeken-Experten Karl Taube stehen die vier Vertikalen mit einiger Wahrscheinlichkeit für die vier

Weitere Kostenlose Bücher