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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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eine Münze von König Lysimachos. Dieser Lysimachos war einer von Alexanders Feldherren und Weggefährten gewesen. Er regierte Thrakien von Alexanders Tod bis zu seinem eigenen Ende 281 v. Chr. Lysimachos prägte keine Münze, die ihn selbst zeigte. Stattdessen beschloss er, den Ruhm und die Autorität seines Vorgängers zu übernehmen. Wir haben es hier also mit einer Bildmanipulation – ja, fast einem Identitätsdiebstahl – in heldenhaftem Ausmaß zu tun.
    Alexander starb mit Anfang dreißig, und sein Reich zerfiel rasch in eine Vielzahl wenig stabiler Reiche (die sogenannten Diadochenreiche), die von sich bekriegenden Feldherren regiert wurden – einer von ihnen war eben besagter Lysimachos. Alle Kriegsherren nahmen für sich in Anspruch, die wahren Erben Alexanders zu sein, und viele von ihnen prägten als «Beleg» dafür Münzen mit seinem Bildnis. Dieser Kampf wurde nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen,sondern auch auf dem Terrain der Währung. Wir haben es hier mit einem frühen Lehrbeispiel für einen zeitlosen politischen Trick zu tun: Man mache sich die Autorität und den Ruhm eines großen Staatsmannes der Vergangenheit zunutze, um sich selbst in der Gegenwart nach oben zu katapultieren.
    Tote Reputationen sind üblicherweise stabiler und formbarer als lebende. So wurden beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg Churchill und de Gaulle von britischen und französischen Führungspolitikern jeder Couleur stets gern beschworen, wenn es das tagespolitische Geschäft erforderte. In demokratischen Gesellschaften ist das jedoch eine hoch riskante Strategie, wie der politische Beobachter und Journalist Andrew Marr deutlich macht:
    «Je demokratischer eine Kultur ist, desto schwieriger ist es, einen früheren Staatsführer zu vereinnahmen. Es ist im Moment höchst interessant zu beobachten, wie Stalin im Russland Putins ein Revival als bewunderte Gestalt erlebt, nachdem er zuvor als blutrünstiger Despot abgetan worden war. Es besteht also immer die Möglichkeit, eine historische Persönlichkeit zu nehmen, aber je diskursiver, je konfrontativer, je demokratischer, je streitlustiger eine politische Kultur ist, desto schwerer ist das. Man sieht das sehr schön am Beispiel Churchills, denn es gibt noch immer unzählige Menschen, die jede Menge darüber wissen, was Churchill dachte und sagte. Jede Partei der Mitte, die behaupten würde: ‹Wir sind die Partei Churchills›, würde in Schwierigkeiten geraten, weil Churchill seine Meinung so oft änderte, dass sich Zitate von ihm ebenso oft für wie gegen die eigene Position verwenden lassen.»
    Tote Herrscher sind noch immer sehr präsent, und sie zieren noch immer Münzen und Scheine. Ein aufmerksamer Außerirdischer, der heutige Banknoten aus China und den USA in Händen hält, könnte durchaus annehmen, dass das eine Land von Mao und das andere von George Washington regiert wird. Und in gewissem Sinne ist es ja genau das, was die chinesische und die amerikanische Führung uns glauben machen wollen. Politische Schwergewichte wie diese verleihen modernen Regierungen, die mit enormen Problemen zu kämpfen haben, eine Aura der Stabilität, Legitimität und vor allem unbestreitbare Autorität. Der kluge Schachzug des Lysimachos setzt noch immer Maßstäbe für die Supermächte dieser Welt.
    Und im Falle des Lysimachos hat das Ganze auch funktioniert – allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Er selbst ist im Vergleich zu Alexander lediglicheine historische Fußnote; er hat kein Imperium bekommen, aber dafür ein Königreich, und an das klammerte er sich. Zwanzig Jahre nach Alexanders Tod war klar, dass sein Reich nicht wieder erstehen würde, und in den nächsten dreihundert Jahren sollte der Nahe und Mittlere Osten von zahlreichen kultivierten, aber konkurrierenden griechisch sprechenden Königen und Dynastien beherrscht werden. Das berühmteste Monument dieser griechischsprachigen Staaten, der Stein von Rosette, wird Thema des übernächsten Kapitels sein. Mein nächstes Objekt hingegen stammt aus Indien, wo der große Kaiser Ashoka an eine ganz anders geartete Autorität anknüpfte, um seine politische Position zu festigen – nicht an die Autorität eines berühmten Kriegsherrn, sondern an einen der größten Glaubenslehrer, nämlich den Buddha.



32
Ashoka-Säule
    Bruchstück einer Steinsäule, errichtet in Meerut, Uttar Pradesh, Indien
Um 238 v. Chr.
    Vor 2000 Jahren haben die großen Mächte in Europa und Asien den Grundstein für

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