Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten
Herrschaft ab und propagierte
seine friedliebende Philosophie mit Hilfe von Säuleninschriften überall auf dem
Subkontinent. Zwar überlebte das Reich Ashokas seinen Herrscher nicht
lange, doch dessen Ideale wirkten fort. Das Römische Reich bestand für
die nächsten 400 Jahre, und an Größe, Bevölkerungszahl und
Fortschrittlichkeit konnte sich allenfalls die Han-Dynastie in
China mit ihm messen, wo der Staat Luxusgüter
produzierte, um sowohl Bewunderung als
auch Gehorsam zu erzeugen.
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Münze mit dem Kopf des Alexander
Silbermünze Alexanders des Großen,
geprägt in Lampsakos (dem heutigen Lapseki), Türkei
Geprägt 305–281 v. Chr.
Vor etwas mehr als 2000 Jahren gab es in Europa und Asien große Imperien, deren Vermächtnis noch heute deutlich zu spüren ist: das Römische Reich im Westen, das Reich des Ashoka in Indien und die Han-Dynastie in China. Mich interessiert im Folgenden vor allem, wie Macht in solchen Großreichen konstruiert und ausgeübt wird. Militärische Macht kann dabei nur ein Anfang sein – sie ist der einfachste Part. Wie aber verankert ein Herrscher seine Autorität in den Köpfen seiner Untertanen? Auf diesem Feld sind Bilder oftmals wirkungsvoller als Worte, und die allereffektivsten Bilder sind diejenigen, die wir so oft zu Gesicht bekommen, dass wir kaum noch Notiz davon nehmen: Münzen. Der ambitionierte Herrscher prägt also die Währung: Die Botschaft findet sich auf dem Geld, und diese Botschaft kann noch lange weiterleben, auch wenn der Herrscher bereits tot ist. So zeigt unsere Silbermünze hier zwar das Bildnis Alexanders des Großen, aber sie wurde frühestens vierzig Jahre nach seinem Tod geprägt, und zwar auf Befehl seines Nachfolgers Lysimachos.
Die Münze hat einen Durchmesser von rund drei Zentimetern und ist damit etwas größer als ein Zwei-Euro-Stück. Sie trägt das Profil eines jungen Mannes mit gerader Nase und ausgeprägter Mundlinie, in klassischer Manier gut aussehend und kräftig. Sein Blick ist aufmerksam in die Ferne gerichtet; die Kopfhaltung hat etwas Gebieterisches an sich und deutet eine energische Vorwärtsbewegung an. Es handelt sich um das Bildnis eines toten Anführers, doch es soll eindeutig die politische Botschaft von noch immer bestehender Macht und Autorität vermitteln.
Genau das gleiche Phänomen findet man im modernen China, wo die rotenBanknoten das Porträt des Großen Vorsitzenden Mao tragen. Manchem mag es seltsam erscheinen, dass ausgerechnet der Lebenssaft einer heute spektakulär erfolgreichen kapitalistischen Ökonomie, nämlich ihr Geld, das Antlitz eines toten kommunistischen Revolutionärs zeigt. Doch der Grund dafür liegt auf der Hand. Mao erinnert das chinesische Volk an die heldenhaften Leistungen der Kommunistischen Partei, die noch immer an der Macht ist. Er steht für die Wiedergewinnung der chinesischen Einheit im Inneren und von Ansehen im Ausland, und jede chinesische Regierung möchte als Erbe seiner Autorität gesehen werden. Diese Aneignung der Vergangenheit, diese «Ausbeutung» des Bildes eines toten Staatsführers ist freilich nichts Neues. Dieses Phänomen gibt es seit Tausenden von Jahren, und was heute mit Mao auf chinesischen Geldscheinen passiert, das widerfuhr vor mehr als 2000 Jahren Alexander dem Großen.
Diese Münze wurde um 300 v. Chr. geprägt und ist damit eine der ältesten, die das Bildnis eines Führers tragen. Alexander der Große, dessen Kopf auf der Münze zu sehen ist, war der am meisten verherrlichte Feldherr und Militärherrscher seiner Zeit – vielleicht sogar aller Zeiten. Wir wissen nicht, ob dieses Bild Ähnlichkeit mit dem echten Alexander hat, aber es muss sich um ihn handeln, denn dieser Mann trägt nicht nur Menschenhaar, sondern auch die Hörner eines Widders. Dieses Hörnersymbol, das überall in der antiken Welt wohlbekannt war, macht dem Betrachter klar, dass es sich um ein Bildnis Alexanders handeln muss. Die Hörner werden mit dem Gott Zeus-Amun assoziiert – einer Mischung der beiden obersten griechischen und ägyptischen Götter Zeus bzw. Amun. Diese kleine Münze liefert also gleich zwei bedeutsame Aussagen: Sie macht Alexanders Herrschaft über Griechen und Ägypter geltend und behauptet, er sei in gewisser Weise sowohl Mensch als auch Gott.
Der Mensch Alexander war der Sohn von Philipp II. von Makedonien, einem kleinen Königreich einige hundert Kilometer nördlich von Athen. Philipp erwartete große Dinge von seinem Sohn und engagierte den berühmten
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