Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Lautsprecher.
»Kannst du das bitte abdrehen? Ruhe ist mir lieber als dieses Marschgetöse.«
Gelegentlich überkamen Dimitri Erinnerungen an die Abende, als er mit Elias Rembetiko-Musik hörte. Es bedrückte ihn, dass diese Musik inzwischen verboten war. Seine Kinder konnten weder bestimmte Sänger hören noch bestimmte Nachrichten lesen. Theaterstücke, Gedichte und Prosa, alles unterlag der Zensur, und jetzt sollten auch noch, laut Papadopoulos, ihre Gedanken kontrolliert werden. Es war ein totales Unterdrückungssystem.
Sie schlossen den Laden um halb zehn und gingen schwei gend in die IrinistraÃe zurück. Theodoris und Olga waren in ihren Zimmern, und Katerina bereitete das Abendessen zu. Dimitri saà bei ihr am Küchentisch und beobachtete, wie sie tief in Gedanken Brot aufschnitt.
»Katerina«, sagte er schlieÃlich. »Ich weiÃ, dass du recht hast. Wir können die Einschränkung unserer Freiheit ertragen, aber für unsere Kinder ist das keine Zukunft. Wir müssen sie gehen lassen.«
»Meinst du das wirklich, Dimitri?«
»Ja. Es ist selbstsüchtig von mir, sie hierbehalten zu wollen. Mutter hat genug Geld, also gibt es keinen Grund, warum sie nicht im Ausland studieren sollten. Und sie hat recht, mein Hass auf meinen Vater hat nichts mit den Kindern zu tun.«
Als sie aufblickte, sah sie Tränen über sein Gesicht laufen.
Noch im selben Jahr ging Theodoris zum Studium nach London, und nicht lange danach bestand Olga eine Prüfung, die ihr die Aufnahme an der Universität von Boston ermöglichte.
Dimitri und Katerina bereuten ihre Entscheidung nicht, denn die repressive Atmosphäre verschärfte sich sogar noch, und Tausende Andersdenkender wurden ins Exil getrieben.
»Ich habe gehört, dass sie wieder Leute nach Makronisos schicken«, sagte Katerina eines Tages im Jahr darauf. »Das kann doch nicht wahr sein?«
»Ich fürchte, leider doch«, antwortete Dimitri.
Grausame physische und psychische Folter war nun wieder an der Tagesordnung, aber niemand schien sich wehren zu können. Es gab keine Presse- und keine Demonstrationsfreiheit mehr, also keinerlei Mittel für wirkungsvollen Protest.
Jeden Sonntagabend schrieben sie Briefe an ihre Kinder. Manchmal schickte Katerina etwas, was sie gestickt oder genäht hatte, eine Bluse oder ein Taschentuch für Olga oder ein Hemd und einen Kissenbezug für Theodoris. Aus Angst vor der Zensur achteten sie immer darauf, dass nichts Politisches oder Regimekritisches in den Briefen stand.
Im November 1973 , drei Tage nach einem Streik an der Universität, kam es zu einem Aufstand der Athener Studenten. Mithilfe eines Amateursenders wandten sie sich an das griechische Volk und riefen es auf, für die Freiheit zu kämpfen. Tausende Studenten gingen auch in Thessaloniki auf die StraÃe, um ihre Unterstützung zu demonstrieren, wurden aber von Polizei und Armee auseinandergetrieben und niedergeknüppelt.
»Glaubst du, Theodoris hätte dabei auch mitgemacht?«, fragte Katerina.
»Bestimmt«, antwortete Dimitri.
In Athen kam es zu Massendemonstrationen gegen das Regime, und drei Tage nach dem Studentenstreik durchbrach ein Armeepanzer die Tore des Polytechnikums, wo sich die Studenten verbarrikadiert hatten. Während des anschlieÃenden Tumults kam ein Dutzend Menschen ums Leben, und viele wurden verwundet.
Es war der Anfang vom Ende. Papadopoulos wurde abgesetzt, und ein Jahr später unterlag die Diktatur, und die Demokratie kehrte endlich zurück. Zum ersten Mal seit 1947 war die kommunistische Partei wieder legal und nahm an den Wahlen Mitte November teil. Dimitri jubilierte, als sie eine Handvoll Sitze gewann.
In diesem Sommer kamen Olga und Theodoris in den Ferien nach Hause. Sie hatten ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und planten beide zu promovieren. Glücklicherweise herrschte kein Mangel an Geld, um auch diesen Wunsch finanzieren zu können. Theodoris ging für seine Doktorarbeit nach Oxford, Olga blieb in Boston.
Thessaloniki blühte auf, und obwohl sie sehr stolz auf den Erfolg ihrer Kinder im Ausland waren, wünschten sich Dimitri und Katerina insgeheim, sie würden nach Abschluss ihrer Ausbildung wieder nach Griechenland zurückkehren. Jedes Mal, wenn sie zu Besuch da waren, zeigten sie ihnen die vielen Baustellen in der Stadt und wiesen sie auf die Verbesserungen der gesamten Infrastruktur hin.
Aber
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