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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kollege! Sie sind eine Naturbegabung. Im vierten Semester zeigen Sie erstaunliche Ansätze chirurgischer Fähigkeiten. Waren Sie ein guter Bastler oder Hobbyhandwerker? Chirurgie ist Mut und handwerkliches Können. Alles andere kommt von selbst. Sagte mal ein großer Kollege.«
    »Ich bin ein guter Handwerker«, sagte Hasslick. Er war zu müde, um die Gelegenheit einer Beichte wahrzunehmen. »Vor allem die Schlosserei liegt mir.«
    »Schlosserei! Sie haben auch noch Humor!« Der Stabsarzt lachte. Es war etwas Ruhe eingetreten im OP, aber per Funk hatte man neue Lastwagen mit Verwundeten angekündigt. Es blieben ein paar Minuten zum Atemholen. »Schlößchen reparieren, gratuliere! Sie wollen also Gynäkologe werden?«
    »Vielleicht!« sagte Hasslick müde. Er wankte im Sitzen. Maria Fedorowna kam aus einer Ecke, eine selbstgerollte Papyrossa im Mundwinkel. Ihr schönes, schmales Gesicht war fahlgrau, eingesunken, von der Erschöpfung durchfurcht. Aber sie gab nicht auf.
    »Geh auf Zimmer!« sagte sie zu Hasslick. Und dann schrie sie: »Pjotr! Stanis! Bringt ihn weg! Nummer 8!«
    Zwei sowjetische Sanitäter rissen Hasslick vom Stuhl, packten ihn unter die Schultern und schleiften ihn aus dem OP. Der Stabsarzt begleitete sie ein Stück bis zur Tür.
    »Sie sind ein Glückspilz, Wegener!« sagte er leise. »Maria Fedorowna mag Sie.«
    »Sie ohrfeigt mich unentwegt. Wenn das Sympathie ist?«
    »Sie werden überleben, denken Sie an meine Worte. Wissen Sie, was Nummer 8 ist?«
    »Woher denn?«
    »Das Zimmer der Fedorowna.« Der Stabsarzt lächelte väterlich. »Halten Sie sich steif, Wegener, im wahrsten Sinne …«
    Hasslick schlief zwei Tage und zwei Nächte.
    Am dritten Tag, gegen 10 Uhr morgens, wachte er endlich auf, weil ihn Maria Fedorowna wieder ohrfeigte. Er fühlte sich sehr erfrischt, viel kräftiger, nur spürte er jetzt sein Bein und den bohrenden Schmerz in der Wunde.
    »Guten Morgen!« sagte er. »Der Tag fängt wie gewohnt an. Sie hauen mir eine runter …«
    Sie ließ die Hand in den Schoß fallen und blickte ihn mit ihren kalten grauen Augen forschend an. Sie trug heute eine enge dunkelblaue Bluse und um den Hals einen roten Schal. Das gehörte nicht zur Uniform, das war Zivil. Gab es hier so etwas wie einen freien Tag? Oder waren die Verwundeten alle gestorben und man hatte nichts mehr zu tun?
    »Arbeitslos?« fragte Hasslick.
    »Die Deutschen sind zurückgegangen!«
    »Aha!«
    »Sie laufen weg wie die Hasen. Wir treiben sie vor uns her, wenn es sein muß, bis zur Nordsee.«
    »Und heute ist nun Feiertag?« Er hob den Kopf und sah, daß sie auch einen Rock trug, aus blauem Tuch, glockig geschnitten. Die Beine darunter waren nackt, von einer gesunden, gebräunten Hautfarbe. An den Füßen hatte sie gestickte Samtpantoffeln, eine armenische Arbeit, mit künstlichen Perlen und Glasscherben besetzt. Aber davon hatte Peter Hasslick keine Ahnung. Er wußte nur, daß sie auf seinem Bett saß, ihn gerade geohrfeigt hatte, um ihn aus dem Schlaf zu holen, und nun die Hände auf seine Oberschenkel legte.
    »Heute ist Sonntag!« sagte Maria Fedorowna. »Du hast ab Freitag geschlafen. Immer. Hast du Hunger?«
    »Nein.« Er ließ den Kopf zurück auf das harte Kissen fallen und blähte die Nasenflügel. Das gibt es nicht, dachte er. Das muß das Fieber sein. Ich rieche Parfüm. Hier riecht es verdammt nach Parfüm. »Warum bin ich hier?« fragte er. »Wo sind die anderen?«
    »Die anderen? Tot! Weggebracht! Verscharrt!«
    »Der Stabsarzt?«
    »Er hat Sonntagsdienst. Zusammen mit Ostap Leonidowitsch Pachomow.«
    »Ein sowjetischer Arzt?«
    »Warum fragst du? Hast du Schmerzen im Bein?«
    »Nicht viel.«
    »Das ist gut. Ich habe dir sechs Spritzen gegeben, während du schliefst.« Sie schob ihre Hände höher über seine Schenkel und legte sie über seinen Unterleib. Es war nur ein leichter, ein kaum spürbarer Druck, aber er reagierte sofort und ärgerte sich maßlos darüber, so köstlich das Gefühl auch war.
    »Vielleicht haben sechs sterben müssen, weil ich dir die Spritzen gegeben habe –«, sagte sie.
    »Das ist furchtbar. Das ist Mord!«
    »Alles um uns herum ist nur noch Mord. Weißt du denn, was Leben ist, na? Ist das hier Leben?«
    Sie umfaßte mit der rechten Hand die deutliche Ausbeulung seiner Hose. Ihre Linke schob sich zwischen seine Beine mit leicht trommelnden Fingern.
    »Maria Fedorowna, Sie sind verrückt!« sagte er. Sein Atem hechelte plötzlich. Speichel sammelte sich in seinem Mund, mehr, als

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