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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Beinen rausschlägt.«
    »Ich habe andere Sorgen!« Hasslick stützte sich auf den Sani. Sie folgten der Ärztin, kamen auf den Flur und begriffen, warum Maria Fedorowna jede Hand zur Hilfe brauchte. Irgendwo hatte ein deutscher Gegenstoß stattgefunden, vielleicht an der Rollbahn. Lastwagen nach Lastwagen brachten die Verwundeten heran, sie lagen überall, bis hinaus auf den Schulhof. Ein Berg zerrissener Leiber, eine Wolke aus Gestöhn und Schreien. Dazwischen die sowjetischen Feldschere, hilflos, nur noch schleppend, von sich aus die Verwundeten selektierend, Herren über Leben und Tod.
    Im Operationssaal III, dem größten Zimmer der Schule, vielleicht war es einmal eine Art Aula gewesen, arbeiteten die Ärzte an neun Tischen. Auch der weißhaarige deutsche Stabsarzt. Im Unterhemd stand er an einem einfachen Küchentisch und schnitt gerade eine Schulter auf.
    »Zu mir!« sagte Maria Fedorowna. Sie stand dem Eingang am nächsten an einem schmalen zusammenklappbaren OP-Tisch und säuberte eine tiefe, gezackte Schulterwunde. Granatsplitter. Das Schulterblatt war zertrümmert, die Knochen staken zermalmt in dem aufgequollenen Muskelfleisch, als sei es gespickt.
    Die Ärztin holte mit dem Fuß einen Stuhl zu sich heran und nickte zu ihm hin.
    »Hol die Knochensplitter raus. Das geht im Sitzen!« fauchte sie Hasslick an, der sich vorsichtig, an der Hand des Sanis, setzte. Hilflos, mit einem Würgen starrte er den zerfetzten Rücken an. »Rock aus!« sagte Maria Fedorowna.
    »Rock? Warum?«
    Sie fuhr herum, als habe er sie in den Hintern gekniffen, und tippte mit einer Knochenschere, von der das Blut troff, wieder auf sein Infanteriesturmabzeichen und die Panzerspange.
    »Willst du Russen anfassen mit das auf Brust?« schrie sie. »Bisher hast du Russen getötet, jetzt retten!«
    Sie holte weit aus, gab ihm wiederum eine Ohrfeige, sein Kopf flog zurück. Der Sani machte, daß er wegkam. An der Tür drehte er sich um und hob beide Hände. »Zehnmal vergewaltigen, das Aas! Jeden Tag!«
    Hasslick zog seine Uniformjacke aus und warf sie unter den OP-Tisch. »Die Hose auch?« fragte er, als Maria Fedorowna ihn wieder anblickte. Es schien sie nicht zu beleidigen. Sie reichte Hasslick eine große, stumpfe Pinzette und trat einem sowjetischen Sanitäter gegen das Schienbein, weil er sie beim Hereintragen eines neuen Verwundeten angerempelt hatte. Vor der Schule heulten neue Lastwagen auf. Transport nach Transport.
    »Trotzdem wirst du den Krieg nicht gewinnen!« sagte Maria Fedorowna. »Und wenn du eine Million Russen tötest. Es kommen immer neue Millionen!«
    »Ich will den Krieg gar nicht gewinnen.« Hasslick betrachtete die große Pinzette. Mit der könnte man arbeiten wie mit einer Schlosserzange, dachte er. Man nimmt einen Knochensplitter zwischen die Backen und zupft ihn raus. Weiter nichts. Der Mann hier merkt es ja nicht, er ist besinnungslos.
    Er beugte sich im Sitzen zu dem verwundeten Russen vor, faßte mit der Pinzette einen großen Knochensplitter und zog ihn mit einem Ruck aus dem Fleisch. Er tat es schnell und ohne Zögern. Es mußte sich geradezu fachmännisch ausnehmen.
    »Warum bist du dann in Rußland, he?« Die Ärztin klemmte eine Ader ab, weil sie die Wunde mit einem Schnitt noch erweiterte.
    »Man hat es mir befohlen.«
    »Befohlen zu morden!«
    »Zu kämpfen. Man hat uns viel erzählt, und wir haben alles geglaubt.«
    »Weil ihr dumm seid!«
    »Alle Völker, die Krieg führen, sind dumm.« Er holte wieder einen Splitter aus der Schulter und hielt ihn in der Pinzette Maria Fedorowna entgegen. »Er hat den Rücken kaputt und wird ein Krüppel bleiben. Ich habe ein Bein kaputt. Wo wir hinsehen –« er machte mit dem Knochensplitter eine kreisende Bewegung – »nur Blut, nur zerrissene Menschen. Von denen hat keiner Schuld …«
    »Kein Russe, das stimmt!«
    »Auch ich nicht. Ich läge jetzt lieber in einem Bett, mit einem Mädchen im Arm, als hier Knochensplitter herauszuziehen.«
    Bis zum Morgen saß Hasslick im OP III und ging der Ärztin zur Hand. Er stellte sich weniger dumm an, als er befürchtet hatte. Offenbar fiel es nicht auf, daß er keine Ahnung von Chirurgie und Wundversorgung hatte, und wenn er ein Instrument in der Hand hielt, dachte er immer: Nimm an, das ist eine Feile, und das eine Säge, und das eine Zange, und das ein Bohrer. Erstaunlicherweise ging das vorzüglich. Spät in der Nacht kam einmal der Stabsarzt an Hasslicks Tisch und klopfte ihm auf die Schultern.
    »Bravo, junger

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