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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er krampfhaft hinunterschlucken konnte. »Ich weiß, ich bin in Ihrer Hand, ich bin machtlos, Sie können mich erschießen oder mit einem Knüppel erschlagen, mir die Kehle durchschneiden, mich aufhängen. Keiner wird Sie fragen, keiner anklagen. Trotzdem sage ich Ihnen: Sie sind verrückt. Gibt es nicht genug Russen? Diesen Dr. Pachomow etwa?«
    »Du redest zuviel!« Sie zog den Gürtel seiner Hose durch die Schnalle, knöpfte die Hose mit herumschnellenden Fingern auf und zog sie mit einem Ruck von seinen knochigen Hüften herunter. Er stieß einen dumpfen Schrei aus. Durch sein verwundetes Bein zuckte der Schmerz so jäh wie ein Blitzstrahl.
    »Tut weh, nicht wahr?!« sagte sie mit jagender, in flüsternde Heiserkeit abgleitender Stimme. »Erst zuviel töten, dann zuviel reden, ihr Deutschen habt alles zuviel. Ihr selbst seid zuviel auf der Welt!«
    Er versuchte, ihre zerrenden Hände festzuhalten, aber sie schlug nach ihm, riß ihm die Hose bis unter die Knie herunter, diese alte, verdreckte, von den Blutflecken des Toten, der sie einmal besaß, stellenweise hart gewordene Hose, und boxte roh gegen das verletzte Bein. Er brüllte wieder auf, hob das Gesäß in einer Reflexbewegung, als könne er damit den brennenden Schmerz von sich wegschleudern, aber das hatte sie wohl gewollt, sie nutzte es aus und zog die Hose über seine zuckenden Füße.
    »Sag kein Wort mehr!« fauchte sie ihn an, als er die Augen öffnete und sie anstarrte, als sei er das wehrlose Opfer einer Wahnsinnigen. »Bloß kein Wort!«
    Sie schwang sich über ihn, setzte sich auf ihn, und während er wieder aufstöhnte, weil sein verwundetes Bein von ihrem Knie getroffen wurde, warf sie den Kopf weit in den Nacken, ihr Mund riß auf vor der Flut von gurgelnden Lauten, die aus ihrem Inneren hervorstürzte, und ihre Finger krallten sich in Hasslicks Schultern. Kleine, messerscharfe Pranken eines Raubtieres.
    Es ging sehr schnell. Es war wie ein heißer Windstoß. Mit einem Seufzer fiel Maria Fedorowna mit dem Gesicht auf Hasslicks Brust, sie biß sich in ihm fest, bis das letzte Zittern in ihr verebbt war, dann hob sie den Kopf, sah ihn mit weiten, fremden Augen an, als sehe sie ihn zum erstenmal, löste sich von ihm, glitt von ihm herunter, streifte den Rock über ihre Beine, beugte sich über Hasslick und schlug ihm rechts und links ins Gesicht.
    »Danke, du Hund!« sagte sie leise. »Danke! Du wirst überleben, das verspreche ich dir!«
    Eine Stunde später holten zwei sowjetische Sanitäter Peter Hasslick aus dem Zimmer der Ärztin ab und brachten ihn zurück in den großen Krankensaal. Eine massive Luftwand aus Eitergeruch, Blutgestank, fäkalischen Ausdünstungen und widerlich süßem Karbol schlug ihm entgegen. Der Stabsarzt kam sofort zu ihm, als man ihn auf einem leeren Strohsack abgelegt hatte, und hockte sich neben ihm auf den Boden.
    »Ist's bei den Ohrfeigen geblieben?« fragte er grinsend.
    »Ja.«
    »Und weiter nichts?« Der Stabsarzt lachte sarkastisch. »Was Sie an Maria Fedorowna tun, tun Sie für uns alle. Ist Ihnen das klar?«
    »Sie ist ein Tier –«
    »Aber was für ein Tierchen! Hat sie was gesagt von Abtransporten?«
    »Nein.«
    »Wenn wir Orscha überleben, haben wir eine echte Chance, auch den Krieg zu überleben. Kollege, wir kommen wieder nach Hause! Über Zeitspannen wollen wir jetzt nicht rätseln … aber es könnte gelingen! Sie haben es in der Hand. Halten Sie Maria Fedorowna bei Laune!«
    »Ich werde es kaum können, Herr Stabsarzt.« Hasslick schloß die Augen. Es ist unmöglich, das durchzuhalten.
    »Denken Sie an Ihre Kameraden, Wegener! Wir sind noch 189 Mann! Davon werden noch einige sterben, aber die Mehrzahl kann gerettet werden!«
    »Indem ich mich von Maria Fedorowna bereiten lasse!«
    »Auch das ist Krieg, Wegener. Verrückt wie alles, was in Kriegen passiert. Sie werden später einmal der staunenden Nachwelt erzählen können, daß Sie vielleicht 170 deutsche Soldaten mittels mühsam durchgestandener Erektionen gerettet haben! Sogar Ihre Frau wird das verstehen können!«
    Hasslick hob müde die Hand. Meine Frau, dachte er. Irmgard Wegener in Köln. Hellmuth, was hast du mir da hinterlassen …
    »Bitte, lassen Sie mich allein!« sagte er schwach. »Erwarten Sie keine Wunder.«
    Er hörte, wie der Stabsarzt sich erhob und wegging. Um ihn herum schwirrte das immerwährende, nie abreißende Tongemisch von Stöhnen, Wimmern, Husten, Reden und Zurufen. Ein Sanitäter kam an ihm vorbei und sagte zu einem

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