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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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was die Herstellung solcher Medizinen kostet und was da an Verdienstspanne drinhängt! Leute, das ist eine Sauerei!
    Aber das alles sagte man hinter der Hand. Während der Rohbau hochwuchs, standen die Leute am Zaun und bewunderten das Haus, das da entstand. Fritzchen Leber, der Architekt, war so stolz, als baue er die neuen Pyramiden. Er kam zweimal wöchentlich nach Köln, kletterte überall auf dem Bau herum, stauchte die Arbeiter zusammen, änderte laufend die Details (was bekanntlich eine Masse Geld kostet) und soff mit den Unternehmern, die am Bau verdienten, bis man ihn stockvoll ins Hotel transportierte.
    Auch Dr. Schwangler besuchte manchmal die Baustelle, sah die Grundrißpläne ein und stimmte Wegener darin zu, daß diese Villa für ihn um einige Nummern zu groß war. Nicht was die Grundfläche, sondern die Einrichtung betraf.
    »Ich habe noch ein halbes Leben Zeit«, sagte Wegener dann. »Ich bin erst vierunddreißig.«
    »Wenn du so weitermachst, wirst du keine vierundvierzig!« sagte Dr. Schwangler grob. »Wann bist du eigentlich mal zu erreichen? Immer unterwegs!«
    Das stimmte. Aber Wegener war nicht unterwegs, wie man glaubte. Er saß brav in Köln, in der Innenstadt, in einem Haus in der Mittelstraße, und ließ sich von einem pensionierten Professor Privatunterricht geben.
    Das war eines seiner großen Geheimnisse. Nach zwei Klassentreffen und einigen Kongressen hatte er mit immer größerem Erschrecken gemerkt, daß alle selbst erworbenen und angelesenen Kenntnisse in Medizin, Pharmazie und sogar in den Fächern, die zur ›Allgemeinbildung‹ gehören, nicht ausreichten, um ein über Stunden hin fließendes Gespräch zu führen. Mit Schlagworten und Fachausdrücken kann man sich helfen und Eindruck schinden, aber wenn es ins Detail ging, vor allem in eine Diskussion, dann mußte Wegener passen, hörte schweigend zu oder entschuldigte sich mit anderen Terminen, um nur schnell die Gesellschaft verlassen zu können. Was weiß ein Schlosser zum Beispiel von den persischen Satrapen, von den Ptolemäern, vom Paläolithikum, vom Philippinengraben oder der Malerei des Greco? Wer konnte von einem Peter Hasslick verlangen, daß er die Manessesche Liederhandschrift kannte oder jemals etwas vom Utrechter Frieden gehört hatte? Als dieses Thema einmal aufkam, im kleinen Kreis von Medizinern (warum gerade Utrechter Frieden, wußte nachher keiner mehr), dachte Wegener sofort an das Wort, das er kannte: Uterus. »Natürlich ist der Frieden mit dem Uterus etwas Gutes!« sagte er. Alles brach in brüllendes Lachen aus, nahm es als glänzenden Medizinerwitz, und Wegener war gerettet, obgleich er in dieser Sekunde verstand, wie jemand spontan sich das Leben nehmen kann. Auch Dr. Schwangler sagte auf dem Heimweg: »Du bist ja ein Erzschwein, Hellmuth! Habe ich gar nicht gewußt. Meine Sympathie zu dir wächst sich aus in geradezu perverse Dimensionen …«
    Aber für Wegener waren das Warnsignale. Er suchte und fand einen pensionierten Gymnasialprofessor, dem er sich als Johann König vorstellte und der ihm für zehn DM (damals ein klotziger Stundenlohn) Nachhilfeunterricht in Allgemeinbildung gab. Dreimal wöchentlich vier Stunden. Hinterher war Wegener so geschlaucht, daß er oft hinter seinem Schreibtisch im Werk einnickte.
    Seine Hausaufgaben – auch die verlangte der pedantische Professor – machte Wegener ebenfalls heimlich. Er hatte sich dazu – woanders fand er keine Möglichkeit, unbeobachtet zu sein – in Köln, auf dem Gereonswall, ein möbliertes Zimmer, auch unter dem Namen König, gemietet. Dort saß er dann, schrieb seine Arbeiten, paukte Vokabeln und Begriffe und sagte sie sich laut vor. Er hatte schon in Sibirien im Gefangenenlager, auf der Sanitätsstation, gemerkt, daß er nicht nur ein visueller Typ war, der schnell das Gesehene erfaßte und im Hirn speicherte, sondern vor allem Gehörtes in sich aufnahm wie auf einem Tonband, das er bei Bedarf abspielen konnte.
    Einmal, kurz vor Weihnachten, schlug das Schicksal wieder Kapriolen. Dr. Schwangler durchstreifte Köln für einige Weihnachtseinkäufe – er hatte seit drei Wochen ein Verhältnis mit einer Gerichtsreferendarin –, nahm durch die noch weitgehend von Trümmern durchsetzte Stadt eine Abkürzung zum Neumarkt und prallte auf dem Gereonswall mit Wegener zusammen, der gerade das Haus verließ, wo er im dritten Stock in einem Hinterzimmer Geschichte des Mittelalters geochst hatte.
    »Nanu!« sagte Dr. Schwangler verblüfft. Er blickte an

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