Eine glückliche Ehe
medizinischer heiliger Antonius! Wissen Sie, daß ich Irmi geholt habe? Daß sie jetzt mit Ihnen so glücklich ist, ist auch ein Teil Glück von mir. So empfinde ich es wenigstens – oder maße mir an, es zu empfinden.«
Vier Wochen später – Irmi und Hellmuth dachten gerade darüber nach, ob sie ihren ersten Urlaub machen sollten, im Schwarzwald, in einer kleinen Pension – starb unerwartet Dr. Hampel. Er starb nach seiner neuen Lebensauffassung, mit ›Pauken und Trompeten‹, wie Dr. Schwangler es ausdrückte.
»Als Hampel mit alttestamentarischer Wucht die Mauern von Jericho umblasen wollte«, sagte er in seiner unwiderstehlichen Art, »traf den Kühnen der Herzschlag. Er starb im Puff! Holzgasse neun. Bei der roten Lilly. Die Polizei identifizierte ihn. Er hatte keine Papiere bei sich. Und Verwandte hat er auch nicht.«
Dr. Hampel bekam kein Armengrab. Er erhielt eine Gruft neben seinem alten Freund Johann Lohmann auf dem Friedhof Melaten. In seinem Testament vermachte er Irmi alles, was er hinterließ: eine total überalterte Praxis und die Abrechnung der Krankenscheine für das letzte Vierteljahr.
Es war an einem Abend im Juni 1953, als Dr. Schwangler einmal Zeit hatte, bei Wegeners zu Abend zu essen. »Es ist furchtbar«, sagte er. »Mein Terminkalender ist so voll, daß ich von zehn Terminen jeweils fünf Minuten abschneiden muß, um wenigstens fünfzig Minuten für einen Hüpfer abzuknappen!« Er trank eine ganze Flasche Rotwein aus, rauchte dann eine Zigarre und blickte sich um. Wegener ahnte, was kommen würde. Und es kam!
»Sag mal«, setzte Dr. Schwangler an, als Irmi in der Küche verschwunden war und man das Geschirr im Abwaschbecken klappern hörte. »Bist du ein Idiot, ein Geizkragen oder ein pathologischer Fall von Existenzfurcht?«
»Vielleicht alles«, sagte Wegener ruhig.
»Du wohnst immer noch in den alten kleinen Zimmern hier über der Apotheke.«
»Wie du siehst.«
»Du hast keine Hausgehilfin. Trotz zwei Kindern macht Irmi alles allein.«
»Ja.«
»Sie kocht, putzt, kauft ein, wäscht, spült, bohnert, klopft Teppiche, putzt die Fenster.«
»Das ist die Aufgabe einer Frau.«
»Daß du ein Herrenmensch bist, wußte ich schon immer! Aber weißt du, wieviel du auf dem Konto hast?«
»Natürlich.«
»Und das regt dich nicht an, ein Haus zu bauen?! Endlich ein vernünftiges Haus für deine fabelhafte Familie?«
Hellmuth Wegener beugte sich vor, nahm Schwangler die Zigarre aus dem Mund, machte zwei lange Züge, blies den Qualm gegen Schwanglers Gesicht und steckte ihm dann die Zigarre wieder zwischen die Lippen.
»In drei Wochen ist die Grundsteinlegung«, sagte er. »Ein wundervolles Parkgrundstück am Rande des Stadtwaldes. Fritzchen Leber hat einen Kasten hingemalt – wenn ich den baue, halten mich alle für verrückt!«
»Du Saukopp!« Dr. Schwangler kaute an seiner Zigarre. »Und keiner weiß das?«
»Keiner!«
»Auch Irmi nicht?«
»Es soll ihr Weihnachtsgeschenk sein. Edi, wenn du einen Ton sagst!«
»Pflanze einen Baum, baue ein Haus, zeuge einen Sohn! Das galt immer als Ziel eines Mannes«, sagte Dr. Schwangler mit ungewohnter Feierlichkeit. »Junge, was sind wir doch für eine Generation! Blick mal zurück: Was haben wir in fünf Jahren geschaffen, seitdem du mit Stroh in den Stiefeln aus Sibirien zurückgekommen bist!«
7
Wer sich 1953 eine Villa baute, wie sie Wegeners Klassenkamerad Fritzchen Leber entworfen hatte, mit allen Ingredienzien einer Architektenphantasie, die bisher mangels geeigneter Aufträge nicht zur Entfaltung gelangt war (wie Fritzchen Leber es formulierte), der wurde nicht nur von seiner Umwelt beneidet, sondern dem sagte man auch nach, daß er in der hundsgemein schlechten Zeit vor der Währungsreform einer der ganz großen Gauner gewesen sein müsse. Denn von 1948 bis 1953, also innerhalb von fünf Jahren, sich ein solches Vermögen zu erarbeiten – das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Nun ja, der Wegener hatte geerbt, eine pharmazeutische Fabrik in Hannover, und das Grundstück und die Trümmerhaufen darauf blendend verkauft (auch das nannte man, bei aller Anerkennung der Geschäftstüchtigkeit, unter der Hand eine Gaunerei), er hatte einige Präparate entwickelt wie das Vitalan, das angeblich neue Spannkraft geben sollte, aber doch nur Wegener reich machte, und wenn erst das neue Werk der Protosano GmbH anlief, dann würden die Millionen nur so heranrauschen. Bisher – seit Einweihung der Neubauten durch den kleinen Peter
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