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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Kugeln, die Goldfäden des Lamettas, das klingelnde Engelsspiel und das Karussell mit den Messingfiguren, das sich durch die Wärme zweier Kerzen drehte.
    Wegener freute sich auf diesen Augenblick mit geradezu kindlicher Erwartung: Peter, als der ›Große‹, vor seinen Geschenken und die kleine Vanessa Nina auf dem Arm des Vaters, mit weiten, braunen Augen in die Kerzen starrend, deren milder, wehender Glanz in ihren Augen widerspiegelte. Welche Stunde in meinem Leben könnte jemals schöner sein, dachte Wegener, wenn er sich auf diesen Tag freute. Das ist ein Augenblick, wo selbst ich, der nie mit Gott gesprochen hat, ihm dafür danken könnte.
    »Anziehen!« rief er schon in der kleinen Diele und ließ die Tür zum Treppenhaus offen. »Irmi! Peter! Wir machen noch eine Fahrt. Irmi! Pack Spätzchen warm ein, draußen ist eine verdammte Kälte!«
    Spätzchen – das war Vanessa Nina. Aus der Küche kam Irmi, sie hatte sich eine bunte Schürze umgebunden. Der Duft von Anis wehte vor ihr her, sie buk anscheinend noch ein Blech Plätzchen. Peter steckte seinen blonden Lockenkopf aus dem Kinderzimmer. Er trug einen ›Feiertagsanzug‹, der ihm gar nicht gefiel: Hose und Jacke aus dunkelblauem Samt, dazu ein weißes Hemd mit blauer Samtkrawatte. Seit vorigem Weihnachten wußte er: Jetzt durfte man sich nicht mehr schmutzig machen. Man durfte nur herumsitzen, warten, in Bilderbüchern blättern und die Angst unterdrücken, der später am Abend vor dem Lichterbaum auftauchende Weihnachtsmann könne zuviel von dem wissen, was er im Laufe des Jahres angestellt hatte. Daß in der Kutte des Weihnachtsmannes der Apothekerprovisor steckte, sollte Peter erst zwei Jahre später entdecken. Aber dann würde er das Spielchen mitspielen, zunächst, um seinen Eltern die Freude nicht, zu verderben, – später, weil es allen Spaß machte, und zuletzt, als Erwachsener, immer noch, weil es zur Tradition im Hause Wegener geworden war, am Heiligen Abend den Weihnachtsmann zu empfangen.
    »Jetzt?« fragte Peter. »Wohin fahren wir denn?«
    »Das ist eine Überraschung, mein Sohn!« sagte Wegener.
    »Ich habe gerade Plätzchen im Ofen, Hellmuth …«
    »Stell ihn ab oder mach sonst was! Auf ein paar Plätzchen kommt es nicht an! Es geht um Größeres! Alles anziehen!«
    Wegener lachte und steckte die Hände in seinen dicken Wollmantel. »Eine Überraschung!«
    »Für Weihnachten?« fragte Peter, der immer schnell schaltete.
    »Ja!«
    »Mit dem Auto?« sagte Irmi ungläubig. »Was hast du dir bloß wieder ausgedacht, Liebling?!«
    »Nicht fragen! Anziehen!«
    Eine Viertelstunde später saßen sie im Auto, nach zwanzig Minuten fuhr Wegener langsam die Straße am Rande des Kölner Stadtwaldes hinunter. Sie waren hier ganz allein, dünner Schnee bedeckte Bäume und Sträucher, es war bitter kalt, und er mußte langsam fahren, weil der Wagen auf der glatten Straße zu rutschen begann. Vor dem Rohbau ließ er das Auto vorsichtig ausrollen und bremste mit Gefühl. Irmi und Peter starrten durch die Scheiben auf die Hausmauern … Eine ›Neubauruine‹ ohne Dach, umgeben von Stein- und Sandhaufen, Mischmaschinen, Holzbalken. Das sinnvolle Chaos einer Baustelle. Wegener wartete und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Was sagen sie jetzt, dachte er. Was fragen sie? Begreifen sie es sofort? Aber Irmi und Peter schwiegen. Vanessa Nina hatte die Händchen geballt und schlug mit den winzigen Fäustchen gegen die Wagenfenster.
    »Nun?« sagte Wegener, als sich niemand meldete. »Steigen wir aus?«
    Irmi sah ihn entgeistert an. »Du willst hier spazieren gehen? Jetzt?! Hier?«
    »Ja, das will ich!«
    Er öffnete die Tür und stieg aus. Peter und Irmi blickten ihn an, als habe er plötzlich ohne Grund einen Schrei ausgestoßen. Sie blieben sitzen.
    »Ein Spaziergang am Heiligen Abend! Wenn das deine Überraschung ist«, sagte Irmi etwas aufsässig. »Meine Anisplätzchen wären besser gewesen.«
    Wegener antwortete nicht. Er ging um den Wagen herum, öffnete die andere Tür, machte eine Verbeugung wie ein hochherrschaftlicher Chauffeur. »Madame?« sagte er. »Und der junge Herr und das kleine Fräulein … darf ich bitten?«
    »Verrückt!« Sie stiegen aus, standen auf der Straße vor dem großen Rohbau und froren. »Was nun?« fragte Irmi. »Einmal quer durch die Bäume und dann zurück?!« Wegener hatte sie noch nie so angriffslustig gesehen. Sie war wütend, das sah man ihrem Gesicht an, aber sie beherrschte sich, wie immer. Nur ihre blauen

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