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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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Rückzieher war es nun allerdings zu spät, außerdem hätte er seine Gründe kaum offenlegen können. Davison hatte für sein unfreiwilliges Bonmot nicht einmal ein müdes Lächeln übriggehabt. Offenbar strebte er den konfrontativen Kurs an, der bei Theaterregisseuren neuerdings so beliebt war. Am Vorabend hatte Lysander noch mit Greville darüber gesprochen, wie lästig und sinnlos dieser Trend war.
    »Machen wir für heute Schluss«, sagte Davison, als hätte er gemerkt, wie stickig es war, und wie unangenehm, am späten Freitagnachmittag hier herumzusitzen. »Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende. Montag fangen wir mit Fräulein Julie an.«
    Die Probe endete mit dem fröhlichen Geplapper der Schauspieler und munterem Stühlerücken. Sie befanden sich in einem Gemeindesaal in St John’s Wood – einem idealen Probenraum mit kleinem Hintergarten, in dem man bei Bedarf jederzeit frische Luft schnappen konnte. Die »Internationale Theatertruppe«, so der Name der Gruppe, war von Rutherford Davison höchstselbst gegründet worden, um dem – wie er sagte – übersättigten und selbstgefälligen Londoner Publikum die interessantesten Stücke aus dem Ausland zu präsentieren. Kein schlechter Einfall, wie Lysander insgeheim zugeben musste, während er seine Jacke von der Stuhllehne nahm. Das Konzept sah vor, ein eingeführtes, allgemein anerkanntes Stück zusammen mit einem neueren ausländischen Drama, das eine größere Herausforderung darstellte, ins Repertoire zu nehmen. In der letzten Saison hatten sie Galsworthys Silberdose mit Tschechows Kirschgarten kombiniert. In dieser Saison spielten sie neben Maß für Maß noch Fräulein Julie von Strindberg. Besser gesagt Fröken Julie , wie Davison das Stück beharrlich nannte, im Glauben, den Zensor mit einem fremdsprachigen Titel besser täuschen zu können. Anscheinend war das Stück 1911 verboten worden. Davison hatte von einer amerikanischen Theatertruppe eine neue Übersetzung erworben und dachte, der schwedische Titel würde vom skandalösen Ruf des Inhalts ablenken. Lysander hatte das Stück noch nicht gelesen, wollte es sich aber am Wochenende vornehmen. Er sollte Jean, den Diener, verkörpern, ein ziemlicher Kraftakt, da er zugleich Angelo in Maß für Maß spielte. Gilda Butterfield und er waren die erfahrensten Schauspieler der Truppe, was ihm eigentlich schmeicheln sollte, und wenn die Inszenierungen Anklang fanden, würde das seiner Karriere und seinem Ruf sehr förderlich sein. Doch wenn Davison ihn weiterhin so gängelte, wäre die Arbeit weit weniger anregend, als er sich das vorgestellt hatte.
    »Und, hast du am Wochenende schon was vor?«
    Lysander drehte sich um und sah Gilda Butterfield vor sich stehen, Fräulein Julie in Person – und Isabella aus Maß für Maß . In den kommenden Wochen würden sie eine Menge Zeit miteinander verbringen. Sie hatte sehr helle Haut und eine Masse blonder, mit einer Samtschleife zusammengebundener Locken – eine durchaus skandinavische Erscheinung, dachte er. Auf Nasenrücken und Wangen schimmerten ein paar Sommersprossen durch den Puder hindurch. Davon abgesehen, wirkte sie wie eine lebenslustige junge Frau. Sinnenfroh und natürlich. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich für ihn interessierte, und er fragte sich, ob dieses Engagement sich möglicherweise noch mit einer kleinen Romanze krönen ließe.
    »Ich fahre nach Sussex.« Er zog sein Etui aus der Tasche, bot ihr eine Zigarette an und gab ihr Feuer. »Mein Onkel kehrt nach zwei Jahren von Forschungsreisen in Afrika zurück. Wir feiern Wiedersehen.« Lysander zündete sich ebenfalls eine Zigarette an, dann liefen sie gemeinsam zum Ausgang.
    »Wo genau in Sussex?«, fragte Gilda. Als sie mit beiden Händen ihr Haarband im Nacken richtete, die Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, zeichneten sich ihre Brüste deutlich hinter der plissierten Bluse ab. Zunächst genoss Lysander die unbekümmerte Sinnlichkeit dieser Pose, bis ihm einfiel, dass er für eine weitere Tändelei noch nicht bereit war. Nicht nach Hettie.
    »Claverleigh«, antwortete er. »Kennst du es? Liegt kurz hinter Lewes. In der Nähe von Ripe.«
    »Mein Bruder lebt in Hove«, sagte sie, nachdem sie das Haarband fester gezurrt hatte. Sie achtete darauf, den Rauch nicht in seine Richtung zu blasen. »Kann sein, dass wir uns eines schönen Wochenendes beide gleichzeitig in Sussex einfinden.«
    »Das wäre wunderbar.« Ziemlich dreist, dachte Lysander, so bringt sie sämtliche

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