Eine große Zeit
die Vorsprechen denke, wird mir flau. Draußen klappert ein Mülltonnendeckel, den der Wind mitgerissen hat, er wirbelt die Straße hinab, ein blecherner, nervtötender Missklang im mächtig brausenden Sturm, der vom Meer aufzieht.
7. Illegale und feindliche Ausländer
Sprühregen setzte ein, als der LKW abrupt vor dem Lager hielt. Lysander sprang mit der neuen Wachmannschaft vom Heck.
»Scheiße«, sagte Obergefreiter Merrilees. »Scheißregen.«
»Eigentlich sollte es heute Nachmittag aufklaren.« Lysander nahm seine Mütze ab und sah die graue Wolkenmasse prüfend an. Kalte Tropfen klatschten ihm ins Gesicht.
»Kann dir ja egal sein. Du bist doch Schauspieler, oder? Alles so verdammt warm und plüschig.«
Merrilees führte seine Abteilung am Stacheldrahtzaun vorbei, und Lysander trat sich den Schlamm von den Stiefeln, bevor er die Stufen des Clubhauses hinaufging.
Das Internierungslager von Bishop’s Bay war vor Kriegsbeginn der Golfclub von Bishop’s Bay gewesen, bis zur Requirierung durch das Innenministerium, das ihn als Sammelort für »illegale und feindliche Ausländer« nutzen wollte. Er lag an der Mumbles-Landzunge, ein paar Meilen westlich von der Küste bei Swansea entfernt, und war in ein eingezäuntes Gefangenenlager mit rund vierzig Holzbaracken verwandelt worden. Die Baracken, in denen jeweils zwanzig Leute in Doppelstockbetten Platz fanden, waren entlang der achtzehnten Spielbahn gebaut worden. Das Clubhaus wurde zum Verwaltungssitz und der Mitgliedsraum zur Lagerkantine umfunkioniert, in der bei Bedarf drei Schichten von je zweihundert Gefangenen abgespeist werden konnten. Die Auslastung schwankte zwischen vierhundert und sechshundert Internierten, Männer, Frauen und Kinder. Andere Bereiche des Golfplatzes waren als Fußball- und Hockeyfelder abgeteilt worden, die jedoch kaum genutzt wurden. Unter den Internierten herrschte das dumpfe Gefühl vor, ungerecht behandelt zu werden; sie vertrieben sich die Zeit hauptsächlich mit Murren und träger Aufsässigkeit.
Lysander klopfte an die Tür des Lagerkommandanten. »Hauptmann J.St.J. Teesdale« stand daneben auf einem behelfsmäßigen Schild. Als Teesdale »Herein!« brüllte, zwang sich Lysander, lächelnd »Guten Morgen, Sir« zu sagen. Teesdale hatte diesen Posten erst seit zwei Wochen inne und empfand seine neue Macht als schwere Bürde. Mit seinen neunzehn Jahren hatte er alle Mühe, sich den ersten Schnurrbart wachsen zu lassen.
»Morgen, Rief. Ganz schön mieses Wetter für Mitte Mai.«
»Die kalte Sophie, die bringt zum Schluss ganz gern noch einen Regenguss«, zitierte Lysander.
»Was?«
»Eine alte Bauernregel, Sir. Sie besagt, dass der Sommer erst anfängt, wenn der Mai vorbei ist.«
»Ach so.« Teesdale warf einen Blick in seine Unterlagen. »Als Erste ist wohl leider Frau Schumacher dran. Sie besteht wieder auf einen Arztbesuch.«
Lysander nahm sein Notizbuch, ein Bündel Akten sowie leere Formulare mit und folgte Teesdale vom Clubsekretariat zur Bar Das 19. Loch. Dort kümmerten sich ein paar Schreibdamen mittleren Alters aus Swansea mithilfe eines einzigen Telefons um die Lagerverwaltung; ihre Schreibtische befanden sich an einem Ende des langgezogenen Raums, während vor dem breiten Erkerfenster am anderen Ende ein langer Tapeziertisch stand, an dem die täglichen Besprechungen und Befragungen stattfanden. Das Fenster bot über den Golfplatz und den ersten Abschlag hinaus einen Panoramaausblick auf den kabbeligen Bristolkanal, über den sich dräuende, mausgraue Wolkenmassen türmten. Die Wände waren mit gerahmten Fotos ehemaliger Golfspieler bedeckt – Viererspielgruppen, Medaillenträger des Monats und Amateurmeister des Golfverbands von Südwales, die ihre silbernen Trophäen reckten. Man hatte Flaschen und Gläser aus der Bar geräumt und die Regale reihenweise mit Pappordnern gefüllt, einen pro Internierten. Für Lysander war das einer der trostlosesten Räume, in denen er sich jemals aufgehalten hatte.
Frau Schumacher saß mit dem Rücken zum Fenster am Tapeziertisch, die Arme kampflustig vor der Brust verschränkt, das pausbäckige Gesicht unversöhnlich verzerrt. Kaum sah sie Lysander und Teesdale den Raum betreten, fing sie an zu husten. Lysander setzte sich ihr gegenüber. Teesdale zog seinen Stuhl außer Reichweite von Frau Schumachers Hustensalve, die im Stakkato abgefeuert wurde. Lysander schlug ihre Akte auf.
»Guten Morgen, Frau Schumacher, wie geht es Ihnen heute?«, fragte er auf Deutsch.
Er
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