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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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oben in diesem Bereich wahrscheinlich DNA entnehmen – zumindest mitochondriale DNA, wenn nicht nukleare DNA.«
    Er nickte.
    »Was ich wirklich interessant finde«, fuhr ich fort, »ist die Bruchstruktur hier. Sie ist sehr unregelmäßig. Achten Sie darauf, wie die Brüche sich in einer Art spiralförmigem Muster um den Knochen herumwinden. Es gibt auch Brüche zwischen den Knochenschichten.«
    »Ja, sehr interessant«, sagte er und klang schon ein wenig munterer. Er griff nach oben, schwang ein beleuchtetes Vergrößerungsglas in Position und schaltete die Lampe an der Unterseite der runden Linse ein. »Es ist fast, als würde der Knochen sich abschälen. Kommt das von der Feuchtigkeit innen, die verdampft?«
    »Wahrscheinlich«, sagte ich. »Und jetzt vergleichen Sie das mit dem trockenen, mazerierten Knochen. Er ist vollständig kalziniert, was nicht überrascht, denn es waren keine Muskeln daran, die ihn hätten schützen können. Achten Sie darauf, wie regelmäßig und rechtwinklig die Bruchstruktur ist, fast wie eine Kreuzschraffierung.«
    Er schob das Vergrößerungsglas über das gleichmäßig verbrannte Femur.
    »Das erinnert mich an ein dickes Holzscheit«, sagte ich, »das sehr langsam auf einem offenen Feuer verkohlt ist.«
    »Oder an einen toten Baum in der Wüste«, sagte er. »Nach Jahren in der Sonne sieht der auch so verbrannt aus.«
    »Hier ist noch ein Knochen«, sagte ich. »Ich war vor einigen Jahren im Sommer mal drüben in Memphis, als sie die schlimmste Dürre seit hundert Jahren erlebten. Der Mississippi fiel um fünf bis sechs Meter und legte riesige Sandbänke frei, achthundert Meter breit und etliche Kilometer lang. Darüberzugehen war, als würde man am Meer am Strand entlanggehen. Und der Fluss schrumpfte von anderthalb Kilometern Breite zu einem schmalen, nur wenige hundert Meter breiten Kanal zusammen – ich hätte fast einen Stein auf die andere Seite werfen können.«
    Sein Mund zuckte, doch ich war mir nicht sicher, ob er ein Lächeln unterdrückte oder ein Gähnen. Wie auch immer, ich war in meiner Erinnerung gefangen.
    »Es war wirklich bemerkenswert«, sagte ich. »Der Sand war golden und sauber – was ich nicht erwartet hatte, denn der Fluss ist trüb wie abgestandener Kaffee. Direkt neben dem Kanal ist der Sand so abgefallen.« Ich zeigte mit der Hand einen Winkel von etwa fünfundvierzig Grad. »Wenn man da Anlauf genommen hat und gesprungen ist, ist man über die Kante geflogen, rund drei Meter nach unten gestürzt und dann nahe des unteren Teils des Uferdamms halbwegs in die Knie gesunken.« Ich war an diesem Tag ein Dutzend Mal von diesem Sandhang hinuntergesprungen und seither in meiner Erinnerung hundertmal und öfter. »Mitten auf dieser riesigen Sandfläche hat sich eine wunderschöne Frau oben ohne gesonnt«, sagte ich. »Doch was mir wirklich aufgefallen ist, das waren die Baumstämme, mit einem Durchmesser von ein bis anderthalb Metern«, ich breitete die Arme aus, so weit, wie ich sie strecken konnte, »unten auf einem schmalen Riff, direkt am Rand des Flusskanals. Die hatten genau dasselbe verbrannte Aussehen, und es hat mich fasziniert, wie es sein kann, dass Bäume, die hundert Jahre unter Wasser sind, aussehen können, als wäre sie verbrannt.«
    Garcia lachte, ein weiches, musikalisches Lachen tief aus der Brust; der erste Laut, den ich von ihm hörte, der nicht vollkommen kontrolliert war. »Sind Sie immer am Forschen, selbst wenn eine wunderschöne Frau sich im Sand rekelt?«
    »So ziemlich«, sagte ich verlegen. Aber ich sah ein, wie absurd das war, und fiel in sein Lachen ein.
    Garcias Miene wurde wieder ernst, doch sein Blick und seine Stimme blieben offen. »Würden Sie gerne dieses Brandopfer sehen?«, fragte er. »Nein, das ist nicht genau das, was ich Sie fragen wollte. Würden Sie bitte einen Blick auf das Brandopfer werfen, Dr. Brockton? Ich wäre sehr an Ihrer Meinung interessiert.«
    »Meinethalben«, sagte ich mit einem Lächeln und einer angedeuteten Verbeugung. »Es wäre mir eine Ehre, Dr. Garcia.«
    Er wies mich mit einer Geste in den großen Sektionssaal und verschwand dann im Kühlraum des Leichenschauhauses, um einen Augenblick später mit einem fahrbaren Sektionstisch aus Edelstahl wiederaufzutauchen. Als er das Tuch zurückschlug, spürte ich, wie mein Adrenalinspiegel in die Höhe schoss, so wie immer, wenn ich mit einem forensischen Rätsel konfrontiert war. Garcia begann zu reden, fast als würde er Notizen diktieren. »Der

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