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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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grauweißen Pulvers, darunter eine Schicht körniger, gelbbrauner Partikel sowie, wie ich rasch erkannte, Bruchstücke von verbrannten Knochen. »Ich war ganz aufgeregt, als ich den Deckel aufgemacht habe«, flachste ich. »Eine Minute lang dachte ich, es wäre vielleicht Ihre Asche.«
    Wenn er das witzig fand, behielt er es für sich.
    »Also, was ist das, Burt?«
    »Das, Doc, ist die große Preisfrage«, sagte er. »Angeblich ist es meine Tante Jean. Aber mein Onkel Edgar sagt, sie ist es nicht.«
    »Wie das?«
    »Haben Sie schon einen Blick darauf geworfen?«
    »Nur kurz.«
    »Ist Ihnen etwas Seltsames aufgefallen?«
    Ich rührte noch ein wenig in der Mischung, womit ich einen weiteren Staubsturm auslöste. Unten, nahe des Bodens der Kiste, erhaschte ich einen Blick auf etwas, was aussah wie kleine Kieselsteine. »Nun, da sind ein paar Steine drin«, sagte ich. »Sieht jedenfalls verdammt nach Steinen aus.«
    »Verdammt richtig, sieht aus wie Steine«, sagte er. »Man braucht keinen Doktor in Anthropologie, um den Unterschied zwischen Knochen und Feinkies zu erkennen. Und noch etwas: Sie können das natürlich nicht wissen, aber Tante Jeans Knie sind nicht da drin.«
    »Ihre Knie? Woher wissen Sie das?«
    »Weil Tante Jeans Knie aus Titan waren. Sie hat vor fünf Jahren zwei künstliche Kniegelenke bekommen.«
    »Normalerweise schickt ein Krematorium so etwas nicht an die Angehörigen zurück, Burt.«
    »Onkel Edgar hat ausdrücklich darum gebeten.«
    »Ah. Das scheint mir ein wichtige Unterlassung zu sein.«
    »Sie können doch nicht geschmolzen und im Ofen irgendwo runtergetropft sein oder so?«
    »Ich glaube nicht«, sagte ich. »Künstliche Gelenke sind aus ziemlich robustem Material gefertigt. Aber lassen Sie mich ein wenig über Titan und Krematorien recherchieren, dann melde ich mich wieder bei Ihnen.«
    »Könnten Sie noch ein bisschen mehr tun als das, Doc?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Irgendetwas stimmt hier nicht, Doc«, sagte er. »Was haben die mit ihren Knien gemacht? Was macht der Kies da drin? Und wie kommt es, dass die Knochenstücke so groß sind? Ich habe die Asche meiner Mutter oben in den Smoky Mountains verstreut, nachdem sie gestorben war, und in Moms Urne war nichts, was größer war als grobes Steinsalz.«
    »Sie möchten also, dass ich eine rechtsmedizinische Analyse dieser Kremate durchführe?«
    »Kremate?« Er schnaubte. »Wer zum Teufel hat sich denn ›Kremate‹ ausgedacht?«
    »Ich nicht«, sagte ich. »Wahrscheinlich irgendein Bestattungsunternehmer. Klingt vermutlich schicker als ›kremierte menschliche Überreste‹ oder einfach nur ›Asche‹.«
    »Und kitschiger«, sagte er. »Hören Sie, ich zahle Ihnen Ihren normalen Stundensatz als Sachverständiger, egal wie viele Stunden Sie dafür brauchen.« Mein Stundensatz lag bei zweihundert Dollar; also musste ich zweihundertfünfzig Stunden in den Krematen herumstochern, um die fünfzigtausend Dollar reinzuholen, die ich dem Fiesen vor einigen Monaten geblecht hatte. Ich wollte keine zweihundertfünfzig Stunden damit verbringen, den Staub von Tante Jean einzuatmen, doch der Fall interessierte mich – und ich war beeindruckt, dass dem Anwalt die merkwürdigen Zutaten in der Mixtur aufgefallen waren.
    »Ich finde heraus, was ich kann«, sagte ich.
    »Danke, Doc«, sagte er. »Ich schulde Ihnen was.«
    »Noch nicht«, sagte ich, »aber bald.«
    Er lachte. »Dann verkaufe ich wohl besser einen der Bentleys«, sagte er, auch wenn wir beide wussten, dass meine Rechnung sich nur auf einen Bruchteil dessen belaufen würde, was ich dafür hingeblättert hatte, damit Burt mich verteidigte. Er nannte mir noch ein paar Einzelheiten – das Sterbedatum seiner Tante, den Namen des Beerdigungsinstituts und den des Krematoriums und die Telefonnummer von Onkel Edgar, der in Polk County lebte –, dann beendete er das Gespräch mit einem »Danke, Doc«.
    Ich wählte die Nummer des osteologischen Labors, das im Erdgeschoss am anderen Ende des Stadions lag, fünf Minuten Fußweg durch gebogene Flure entlang der riesigen Ellipse des Stadions. »Osteologisches Labor, Miranda am Apparat. Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich hoffe doch«, sagte ich.
    »Ach, Sie sind’s nur.«
    »Versuchen Sie doch, Ihre Begeisterung zu zügeln«, erwiderte ich.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte«, rief sie enthusiastisch. »Dr.  Brockton , was kann ich für Sie tun?«
    »Schon besser«, sagte ich. »Dürfte ich Sie darum bitten, mir, sobald Sie mit Kniefallen fertig

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