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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Das oberste Regalfach befand sich in Kopfhöhe, und am hinteren Ende des Anhängers entdeckte ich einen Leitertritt, den ich zur Inspektion der obersten Reihe Leichen auch brauchen konnte. Sean ging zum nächstgelegenen Leichensack in einem Regalfach in Brusthöhe und zog den Reißverschluss um die C-förmige Öffnung auf. Er schlug die Klappe zurück, und ein Kopf kam zum Vorschein, bei dem Schädel und Halswirbel zu sehen waren. Der Schädel war klein und glatt, mit spitzem Kinn und scharfen Kanten am oberen Rand der Augenhöhlen – ein klassischer Frauenschädel. Neben dem Schädel lag eine Matte aus langem, verfilztem braunem Haar. »Nun, sie ist im richtigen Anhänger, wer auch immer sie ist«, sagte ich.
    Sean lachte. »Wäre ein bisschen peinlich, wenn ich ausgerechnet einen Leichensack aufgemacht hätte, den wir falsch einsortiert haben«, sagte er. Er zog den Reißverschluss bis hinunter zu den Füßen auf, sodass er die Klappe weiter aufschlagen konnte. »Wir haben an jeder Leiche am linken Oberarm und am linken Fußknöchel ein Etikett angebracht«, sagte er. »Nummernschildchen, die mit eins anfangen.« Er überprüfte das Etikett am Arm des Skeletts. »Das hier ist Nummer siebenundvierzig«, sagte er. »Wenn ich mich recht erinnere, war sie auf dem Haufen, den Sie neben dem Bulldozer entdeckt haben. Mit denen im Leichenwagen haben wir angefangen – das hatte keinen besonderen Grund, irgendwo mussten wir ja anfangen – und uns dann um den großen Haufen neben der Planierraupe gekümmert. Überall waren Leichen, Bill. Im Schuppen in Erdgrüften gestapelte Leichen, in eine flache Grube geworfene Leichen – zum Teufel, sogar in einer alten Gefriertruhe draußen neben einem Abfallhaufen haben zwei Leichen gesteckt.«
    »Was um alles in der Welt haben die sich bloß dabei gedacht?«
    »Ich glaube nicht, dass die sich irgendetwas gedacht haben«, meinte er. »Der Typ sagte, der Einäscherungsofen hätte nicht mehr funktioniert und er sei in Rückstand geraten und hätte es nicht mehr auf die Reihe gekriegt. Aber wir hatten einen Techniker hier, der den Ofen überprüft hat, und der hat gut funktioniert, sobald wir ein bisschen Propangas in den Tank gefüllt hatten. Ich weiß nicht, ob wir je die ganze Geschichte erfahren. Ich glaube ja, es ist wie bei all den Leuten, die auf ihrem Grundstück überall Schrottautos, Waschmaschinen und Sprungfedern verteilen. Der einzige Unterschied ist der, dass der Typ hier keine ausrangierten Autos oder Geräte verstreut hat – der Typ hat ausrangierte Menschen angesammelt.«
    »Haben Sie irgendeine Idee, wie viel Geld er damit gemacht hat, dass er die Leichen nicht eingeäschert hat?«
    »Siebzig bis achtzig Dollar pro Stück, unserer Schätzung nach. Weniger als hundert. Nicht annähernd genug, um eine solche Sauerei zu rechtfertigen, so viel ist sicher.«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie viel Geld eine solche Sauerei rechtfertigen würde. Es würde Millionen Dollar kosten, das Gelände aufzuräumen und die Leichen zu identifizieren, und viele Millionen mehr, um die Schadensersatzforderungen zu erfüllen, die die geschädigten Angehörigen bald erheben würden. Ich hatte es längst aufgegeben, vorhersagen zu wollen, welche Eigentümlichkeiten in Mordfällen und Todesermittlungen auftauchen konnten, doch dies hier verblüffte selbst mich in seinem schieren Ausmaß und seiner Dummheit. »Sean, ich gehe mich umziehen und mache mich dann auf die Suche nach Tante Jean«, sagte ich, »damit Sie auch zurück an die Arbeit können.«
    Er nickte. Plötzlich wirkte er müde. Als er die Tür des Anhängers öffnete, hauten uns die sengende Hitze und das grelle Licht draußen fast um.
    »Hören Sie, ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie dafür gesorgt haben, dass ich herkommen durfte, um mich umzusehen«, sagte ich, als wir die Holzstufen hinunterpolterten. »Wenn ich sie finde, sage ich Ihnen Bescheid. Und wenn ich sie nicht finde, lasse ich Sie das ebenfalls wissen.«
    Er streifte einen Handschuh ab, um mir noch einmal die Hand zu schütteln – ich wünschte, ich besäße Aktienanteile an der Firma, die für diese Operation die Handschuhe und Leichensäcke lieferte – und mir noch einmal zu danken, dann eilte er zur Einsatzzentrale. Ich bekam noch mit, wie er im Gehen einen Blick auf seinen Pager warf und den Kopf schüttelte.
    Ich ging um meinen Pick-up herum, klappte die Tür des Aufbaus hoch und die Heckklappe herunter. Dann setzte ich mich auf die Klappe, zog meine

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