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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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und einem Kreisverkehr. Normalerweise schoss der Springbrunnen eine sechs Meter hohe Fontäne in die Luft, doch die Dürre und die Wasserrationierung hatten ihn ausgetrocknet, und heute Abend beleuchteten die in den Brunnen eingebauten Scheinwerfer nur fleckigen Beton und leere Luft. Hinter dem Brunnen führte die Straße in einem Bogen vom Fluss weg, wand sich über einen niedrigen Hügel und dann einen zweiten hinauf zur Kreuzung mit dem Kingston Pike. Altmodische Straßenlaternen entlang des Mittelstreifens beleuchteten die Aschenbahn, und ich ging immer weiter an palastartigen Häusern vorbei, mit Ziergiebeln und einem Baumbestand so prächtig wie auf einem Filmset in Hollywood.
    Als ich den Kingston Pike erreichte, kehrte ich um und ging den ganzen Weg zurück, bis ich nach vier Kilometern am unteren Ende des Boulevards ankam. Diese Runde wiederholte ich noch zweimal, ich lief vierundzwanzig Kilometer, ohne dem Frieden einen Schritt näherzukommen. Doch auch wenn der Frieden sich nicht einstellen wollte, wurde ich wenigstens müde. Um Mitternacht stolperte ich in mein Haus, fiel aufs Bett und trieb in einen unruhigen Schlaf, gehetzt von Träumen von Jess’ Leiche und Garland Hamiltons höhnischem Feixen.
    Das Telefon weckte mich.
    »Bill, hier spricht Jim O’Conner.«
    Ich rüttelte mich wach. »Was ist los? Haben Sie ihn?« Ich schaute zum Fenster und sah, dass es draußen noch dunkel war.
    Die Digitaluhr auf dem Nachttisch zeigte 4:59. Ein unbehagliches Gefühl fuhr mir in den Magen. »Jim? Ist alles in Ordnung?«
    Er antwortete nicht gleich, und aus dem unbehaglichen Gefühl wurde ein Knoten. »Ich … ich glaube, aber wir sind uns noch nicht sicher. Vor einer Stunde ist hier oben die Hölle losgebrochen.«
    »Wie? Erzählen Sie.«
    »Es hat eine gewaltige Explosion und ein Feuer gegeben. Die Hütte ist vollkommen zerstört, und der Wald brennt. Ich glaube, Hamilton ist tot.«
    »Aber Sie wissen es nicht mit Sicherheit?«
    »Wir können noch nicht rein, um nach einer Leiche zu suchen, aber ich wüsste nicht, wie jemand das überlebt haben sollte. Es hat sogar einige SWAT-Männer umgehauen, und die waren fünfzig Meter weit weg.«
    »Kommen Sie, Jim, wieso sollte eine Holzhütte in den Bergen plötzlich explodieren, just als eine Armee von Polizisten den Typen darin verhaften will? Das kann doch kein Zufall sein.«
    »Moment, Moment.« Im Hintergrund hörte ich eine knisternde Stimme an einem Funkgerät, und dann hörte ich, wie O’Conner sagte: »Sind Sie sich da sicher? Hundertprozentig sicher?« Dann sprach er wieder zu mir, seine Stimme überschlug sich. »Waylon sagt, er hat gerade einen menschlichen Schädel entdeckt. Verbrannt, aber eindeutig ein Schädel, und eindeutig von einem Menschen.« Ich fühlte mich wie auf einer Achterbahnfahrt in einem Freizeitpark, raste hinauf und stürzte kopfüber hinunter und wurde herumgewirbelt, und Gefühle stürmten schneller auf mich ein, als ich sie benennen oder identifizieren konnte.
    Nach einer Weile bemerkte ich die Stimme an meinem Ohr. »Doc? Sind Sie noch da?«
    »Ja«, sagte ich mühsam. »Ich bin hier. Geben Sie mir nur ’ne Minute.« Ich konzentrierte mich aufs Atmen – langsame, tiefe, regelmäßige Atemzüge. Die Achterbahnfahrt verlangsamte sich, und ich spürte, wie mein Adrenalinspiegel wieder sank. Ich spürte auch, wie meine Neugier und mein Verstand wieder die Oberhand gewannen. »Wir müssen eine positive Identifizierung durchführen, um sicherzugehen, dass er es ist«, sagte ich. »Soll ich mit ein paar Leuten hochkommen und mich darum kümmern?«
    »Nun …« O’Conner unterbrach sich wieder, diesmal länger als vorher. Seine Stimme klang jetzt gemessen und vorsichtig. »Wenn Sie sich dem gewachsen fühlen und glauben, dass Sie sich aus Ihrer persönlichen Verstrickung lösen und sich der Sache mit klarem Blick widmen können, dann kommen Sie rauf, klar. Aber wenn das zu viel verlangt ist, sagen Sie es nur, dann frage ich Unterstützung durch die Kriminalpolizei von Tennessee oder das FBI oder das Büro des Medical Examiners drüben in Memphis an. Die haben da einen forensischen Anthropologen, den Sie ausgebildet haben, nicht wahr?«
    »Ja, aber ich komme schon klar.« Ich dachte an einen Brandort im Westen von Tennessee, an dem ich vor einigen Jahren gearbeitet hatte. »Hören Sie, Jim, wenn Feuerwehrleute da sind, bitten Sie sie, sich mit Wasser so weit wie möglich zurückzuhalten«, sagte ich. »Verbrannte Knochen sind sehr

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